Dienstag, 10. Mai 2011
Ostern einmal anders...
Wer an Ostern in Deutschland denkt, denkt an zwei oder drei Gottesdienste, vielleicht in den Vortagen noch an abendliche Passionsandachten oder – je nach Region – an ein Osterfeuer. Auch wenn das Grundgerüst übereinstimmte: Hier war alles einfach viel größer! Hunderttausende Touristen kamen in Jerusalem zusammen, um hier, an dem historischen Ort des Ostergeschehens, zusammen das wichtigste christliche Fest zu feiern!
Angefangen hat es am Palmsonntag mit einer riesigen Prozession vom Ölberg bis zur Altstadt: auf den historischen Spuren von Jesus, der auf einem Esel eben diesen Weg zurücklegte.



Es war eine gigantische Stimmung auf den Straßen, Wildfremde feierten zusammen, tanzten, lachten und sangen. Viele hatten Palmzweige mitgebracht und viele hatten Instrumente bei sich, mit denen sie den Gesang begleiteten. Italienische Priester mit offenem Hemd spielten Trommel, sangen und waren völlig losgelöst. Es war einfach ein riesiges Volksfest auf den Straßen!





Wie immer in Israel natürlich auch begleitet mit einem enormen Aufgebot an Sicherheitskräften.



Am Montag begann nun die Karwoche. In unserer Kirche fanden jeden Abend Passionsandachten statt, die ab Gründonnerstag von Gottesdiensten abgelöst wurden. An Gründonnerstag fand ein großer internationaler Gottesdienst mit den verschiedenen Gemeinden im Hause statt, es trafen sich deutsche, arabische, englischsprachige, dänische und finnische Christen zusammen, um gemeinsam an das Letzte Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern zu denken und einen Gottesdienst zu feiern. Anschließend wurde in einer großen Prozession in den Garten Gethsemane gezogen. Die Prozession konnte ich leider schon nicht mehr miterleben, da ich mich schon auf den Weg zum nächsten Gottesdienst machte: Ich war bei den Benediktinern eingeladen, die in ihrem Gottesdienst Angehörigen der verschiedenen christlichen Konfessionen die Füße wuschen, um an ebendiese Geste von Jesus, der seinen Jüngern vor dem letzten Abendmahl die Füße wusch, zu gedenken.



Als ein Vertreter der evangelischen Christen wurde ich gefragt, was ich natürlich sehr gerne annahm. Der dreistündige Gottesdienst war sehr imposant und berührend, anschließend war jeder noch eingeladen, Zeit in Stille zu verbringen, was auch vielfach genutzt wurde.



Auch der Karfreitag startete früh: Bereits um 6.30 Uhr trafen sich die evangelischen Gemeinden und liefen als Prozession zusammen die Via Dolorosa entlang, den historischen Leidensweg Christi. An jeder Station wurde Halt gemacht um den Bibeltext für Karfreitag zu lesen, auch wieder in verschiedenen Sprachen, um allen Gemeinden gerecht zu werden.



Danach lud der Bischof der arabischen Gemeinde zum gemeinsamen Frühstück ein – arabischen Erwartungen gemäß wurden Sesamringe, Hommus, Falafel und allerlei Gemüse aufgetischt. Eine weitere Stunde Schlaf konnte ich einlegen, dann stand schon der nächste Gottesdienst um halb elf in unserer Kirche auf dem Programm.
Nach dem Gottesdienst machte ich mich, gemeinsam mit einigen anderen Volontären, die ich unterwegs traf, auf, um mir die Prozession der Franziskaner anzuschauen, die jedes Jahr von mehreren tausend Menschen mitgegangen wird. Doch leider war kein Durchkommen, alle Straßen waren gesperrt, überall waren wieder Sicherheitskräfte und Menschenmassen, die das gleiche Ziel hatten wie ich. Doch auch hinter der Absperrung konnten wir sehen, wie sich die Menschenmassen durch die engen Altstadtgassen drückten, teilweise mit Holzkreuzen auf dem Rücken, singend, weinend oder betend.



Um 3 Uhr feierten wir in der Erlöserkirche noch eine Andacht zur Todesstunde Christi, die von Studierenden des Studienjahres „Studium in Israel“ vorbereitet wurde.
Danach eilte ich zur Grablegungszeremonie der Franziskaner: Die Franziskaner nehmen sehr bildlich eine Jesusfigur von einem Holzkreuz auf dem Berg Golgatha in der Grabeskirche ab, salben diese Figur auf dem Salbungsstein im Eingangsbereich und betten sie letztlich in der Grabkammer. Wirklich beeindruckend und wunderschön mit den lateinischen Gesängen im Hintergrund.



An Karsamstag war schon frühmorgens die komplette Altstadt gesperrt: Die orthodoxen Christen feierten schon einen Tag vor uns die Auferstehung Christi mit einer Zeremonie in der Grabeskirche/Auferstehungskirche, bei der sowohl der griechisch-orthodoxe, als auch der armenisch-orthodoxe Patriarch in die Aedikula, die Basilika des Heiligen Grabes, gehen, dort auf wundersame Weise Feuer vom Himmel herabkommt, durch Fenster nach außen gegeben wird und mit Kerzen durch die ganze Kirche/Stadt/das ganze Land und die ganze Welt weitergegeben wird. Kurzfristig bot sich auch mir die Möglichkeit, mit den Armeniern in die Grabeskirche einzuziehen und das Spektakel mitzuerleben. Es war verrückt: Tausende drängten sich in die riesige Kirche, in der ganzen Stadt waren Barrieren aufgebaut, um die Menschenmassen nur geregelt einzulassen und trotzdem war es in der Kirche voller als bei jedem Konzert, bei dem ich bisher war.





Nach stundenlangem Warten hatte der komplette Raum dann gefühlte Körpertemperatur, man konnte sich in keine Richtung mehr bewegen und um mich herum kippten die Menschen buchstäblich wie die Fliegen um. Bei manchen fiel dies erst einmal gar nicht auf, weil sie durch die Menschenmassen auf allen Seiten nicht fallen konnten und erst Sekunden oder Minuten später jemand anderem auffiel, dass der/die Ohnmächtige etwas verklärt schaut und nicht mehr ansprechbar ist. Die Betroffenen wurden dann über die Köpfe nach vorne hinter die Absperrungen gegeben oder von zwei kräftigen Männern gepackt und durch die Massen durchgezogen. Wasser war gegen Ende des Wartens mit Gold aufzuwiegen. Wirklich ein verrücktes Schauspiel!
Dann kam es: Das Feuer wurde herausgegeben und die Menschen waren begeistert. Jung und Alt standen zusammen, freuten sich, und feierten – soweit das auf dem engen Raum möglich war.





Am ergreifendsten fand ich dabei eine junge Frau, die kurz zuvor auch bewusstlos wurde, dann hinter die Absperrung gebracht wurde und kurz vor dem Feuer wieder aufwachte. Jemand aus der Menschenmenge gab ihr eine kleine Kerze, die sie auch am Osterfeuer entzündete und dann völlig glücklich und zufrieden in ihrer eigenen kleinen Welt, mit nur der Kerze und sich, hinter der Absperrung stand.



Der Ostersonntag war dann schon fast wieder entspannt:
Kurz nach fünf Uhr morgens fand auf dem Ölberg der Frühgottesdienst im Freien statt, bei dem auch ich mithalf. Perfekt geplant ging genau während des Abendmahls die Sonne auf.



Nach kurzem Kaffeetrinken machten wir uns bereits wieder auf den Weg in die Altstadt, um in der Propstei das Osterfrühstück für die Gemeinde vorzubereiten.



Als krönenden Abschluss der Karwoche feierten wir im Anschluss an das Frühstück gemeinsam den Ostersonntagsgottesdienst.
Um noch einmal durchzuatmen und das erlebte ein bisschen zu verarbeiten, machten wir uns im Rahmen des Volontärsprogramms mit den Franziskanern auf den Weg nach Emmaus (Qubeibe, es gibt drei verschiedene Orte, die von sich behaupten das biblische Emmaus zu sein…).



Ein toller Tag, der mit einem wunderschönen, ruhigen Gottesdienst abgeschlossen wurde, bei dem jeder genug Platz hatte für sich! Welch Wohltat!



Diese Woche war die geballteste und beeindruckendste, die ich jemals erlebt habe. So viele Menschen auf so engem Raum, so viele Eindrücke und solch eine Vielfalt habe ich bei weitem noch nie erlebt! Und auch wenn ich in der Woche viel zu wenig Schlaf fand, war es einfach wunderschön!




Mittwoch, 6. April 2011
Die Hälfte ist Vorbei – Zwischenseminar in Haifa
Ende Februar, pünktlich zur Halbzeit unseres Auslandsjahres, trafen sich alle entsandten Volontäre der Evangelischen Landeskirche in Baden und im Rheinland zusammen in Haifa, um dort gemeinsam das Zwischenseminar abzuhalten.
Das Programm der fünf Tage war vielfältig: So besuchten wir das „Ghetto Fighter Museum“, das speziell die Widerstandskämpfer der jüdischen Ghettos vor und während dem Zweiten Weltkrieg in das Auge des Betrachters stellte, besuchten die alte Kreuzfahrerstadt Akko, bekamen einen wahnsinnig interessanten Vortrag über die Arbeit der deutschen Organisation „Ziviler Friedensdienst“, die große Teile der Entwicklungs- und Aufbauarbeit der Bundesregierung Deutschland im Ausland stellt. Wir besuchten „Kfar Tikva“, eine Einsatzstelle, die ein eigenes Dorf mit Werkstätten, Wohnungen und Gemeinschaftsbereichen für Behinderte eingerichtet hat und damit den „Friends“, wie die Behinderten dort genannt werden, ein eigenes und selbstbestimmtes Leben in einem sehr offenen Rahmen ermöglichen will. Auch Johannes, einer der Freiwilligen, die wie ich über die Landeskirche in Baden hier sind, arbeitet dort. Er führte uns über das Gebiet berichtete uns sehr positiv von der Arbeit dort. Voller Stolz zeigte er uns „seinen“ Garten, den er zusammen mit einer Gruppe Friends eingerichtet hat.

Selbstverständlich durfte auch der Spaß nicht zu kurz kommen: Wir spielten Gruppenspiele, schauten den Film „Walitz with Bashir“ (sehr empfehlenswert; ein Film der aus israelischer Sicht und doch sehr kritisch über den Libanonkrieg berichtet) und saßen jeden Abend noch lange zusammen. Viele interessante Diskussionen entstanden dabei, da die Hälfte der Freiwilligen, die auf dem Zwischenseminar zusammengekommen waren, in jüdischem Umfeld eingesetzt sind und die andere Hälfte mehr mit der arabischen Seite zu tun hat. So diskutierten wir stundenlang, erzählten Geschichten die wir mitbekommen hatten und versuchten jeweils die „andere Seite“ zu ermutigen, uns doch mal besuchen zu kommen und sich darauf einzulassen. Es war wirklich toll, sich nach einem halben Jahr hier mit Leuten zu unterhalten, die genau das mitbekommen, was man selbst nicht mitbekommt. Das Seminar hat auf jeden Fall Lust gemacht, die andere Seite noch viel mehr mitzubekommen und aktiv auf die Leute zu zugehen. Letztlich durfte auch ein Nachmittag am Mittelmeer und der Besuch der Bahai-Gärten in der Küstenstadt nicht fehlen!
Auch ein großes Anliegen war für die Ansprechpartner unserer Entsendeorganisation aus Deutschland, wie es uns an der jeweiligen Arbeitsstelle geht. So saßen wir auch mit ihnen lange zusammen und haben darüber gesprochen was gut läuft und was vielleicht noch ein bisschen besser laufen könnte.
Alles in allem waren die Tage vollgepackt mit interessanten Gesprächen, tollen Eindrücken aus der israelischen Welt und ganz in der Mitte stand natürlich der Austausch mit denen, die gerade Mal fünfzig Kilometer von uns entfernt wohnen und doch ein so völlig anderes Heiliges Land mitbekommen als wir!



Donnerstag, 3. Februar 2011
Drei Termine – Drei mal Weihnachten
Nun ist es schon Ende Januar und trotzdem ist die Weihnachtszeit hier erst vor zwei Wochen zu Ende gegangen. Zu „unserem“ Weihnachtsfest, dem der evangelischen und römisch-katholischen Kirche am 24. Dezember, kam am 6. Januar das Weihnachtsfest der griechisch-orthodoxen, syrisch-orthodoxen und koptisch-orthodoxen Christen. Eine kleine Gruppe fuhr nach Bethlehem in die Geburtskirche, in der wir mit den Christen unterschiedlicher Konfessionen den Weihnachtsgottesdienst feierten. Die Gottesdienste waren interessanterweise alle zeitgleich, nur zehn Meter voneinander entfernt wurde in anderen Sprachen und nach anderem Ritus gefeiert, gesungen und gebetet. Die Gottesdienste erschienen mir völlig anders als die der evangelischen oder katholischen Kirche, während dem Gottesdienst sind immer mal wieder ein paar dazu gekommen, ein paar sind wieder raus, teilweise wurde geredet, die Lieder wurden eigentlich nur von den Geistlichen gesungen, die Gemeinde kannte sie meist gar nicht und vielen war es völlig egal, was sich vor dem Altar abspielte, als wenn nur das Dasein für sie zählen würde. Auch mal ein Eindruck eines Gottesdienstes.
Am 18. Januar feierte, als die Letzte der christlichen Konfessionen, die armenisch Kirche Weihnachten. Unsere Gemeinde organisiert ein eigenes Volontärsprogramm, alle zwei bis drei Wochen wird so ein Ausflug oder eine Veranstaltung angeboten, zu der die Volontäre eingeladen werden und sich dann entsprechend anmelden können. So war auch das armenische Weihnachtsfest in Bethlehem ein Programmpunkt, der viele Volontäre angelockt hat. Ungefähr fünfzig Volontäre und andere Interessierte fanden sich so am Abend in Bethlehem ein, bekamen noch eine kurze Einführung in die Geschichte und Bedeutung der armenischen Kirche und in die Liturgie des Abends, um danach dem Gottesdienst beizuwohnen. Der Gottesdienst war ähnlich den anderen, oben beschriebenen, nur standen die Gesänge noch viel mehr im Mittelpunkt. So standen sich zwei Gruppen Jugendlicher gegenüber und sangen sich gegenseitig abwechselnd zu oder die armenischen Geistlichen sangen – es war wirklich schön, auch wenn man kein Wort verstanden hat.





Freitag, 14. Januar 2011
Advents- und Weihnachtszeit in der Ferne
Das erste Mal feierte ich dieses Jahr Weihnachten allein – und es war gar nicht so schlimm :-)
Auch wenn die Adventszeit hier wenig besinnlich war, denn hier gibt es nicht - wie in Deutschland üblich – seit Oktober die Weihnachtsmusikbeschallung und an jeder Straßenecke Schoko-Nikoläuse zu kaufen. Die Nikoläuse stehen hier zwar beim muslimischen Händler am Damaskus Gate ganzjährig neben den Osterhasen auf dem Tisch mitten auf dem Bürgersteig, aber die Weihnachtsmusik und die tolle Stimmung auf den Weihnachtsmärkten fehlt eben doch… Lustig mit anzuschauen waren dabei die 2-3 Läden, deren Metallverschläge vor den Schaufenstern noch nie geöffnet waren, seit ich hier bin, die aber jetzt zur Weihnachtszeit auf einmal mit vielen blinkenden Lichtern und ganz viel kitschigem Weihnachtsschmuck für die Touristenmassen öffneten.
Einige kleinere Aktionen gab es doch, die ein bisschen etwas von Weihnachtsstimmung vermittelt haben: So fanden in der Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg wöchentlich in der Adventszeit Adventsandachten statt, die alle sehr schön gestaltet waren und mit den bekannten Weihnachtsliedern einige Heimatgefühle geweckt haben. Eine davon habe dann letztlich auch ich übernommen. Dann kam das Weihnachtskonzert mit anschließendem Glühweintrinken in der Erlöserkirche mit israelischem Chor, es war wirklich toll und beeindruckend. Auch in der Adventszeit fand ein „Adventsabend“ – zuerst mit der Gemeinde und später mit den Volontären statt. Kurz vor Weihnachten besuchte ich noch eine „Rorate“-Messe der Benediktiner in der Dormitio Abtei, die mit viel Besinnlichkeit und liturgischen Gesängen dann auch mich wirklich in der Weihnachtszeit ankommen ließ.

Doch nicht viel später war es auch schon wieder vorbei mit der Besinnlichkeit: Heiligabend stand vor der Tür und damit kam viel Arbeit auf uns zu.
Anfang der Woche bin ich mit ein paar unserer Mitarbeiter zum Weihnachtsbäume holen ca. eine Stunde in den Süden gefahren – um dann festzustellen, dass es dieses Jahr wirklich keinen einzigen schönen Baum zum Holzen gab. Aber es war schon lustig: Die Anlage glich einer Baumschule, bei der man am Anfang bezahlte, einen Israeli mit einer Kettensäge zur Seite gestellt bekam, mit dem man dann durch die Reihen gelaufen ist, auf die Bäume, die man wollte gezeigt hat. Diese wurden dann abgeholzt, man hat sie auf den Laster geworfen und ist wieder heimgefahren. Das war mal ein etwas anderer Arbeitstag! ;-)
Die Woche verlief dann sehr ruhig, alles wurde noch einmal durchgesprochen, bis der große Tag dann kam: Ab mittags musste die Rezeption besetzt werden, denn die arabische Gemeinde, die auch in unserer Kirche Gottesdienste feiert, hatte vor uns Gottesdienst. Am frühen Abend konnten wir dann damit beginnen, die Kirche wieder aufzuräumen, heruntergebrannte Kerzen auszutauschen, den Glühwein vorzubereiten und dem Gästehaus bei der Vorbereitung des Buffets für das Gemeindeessen zu helfen. Um acht fing dann das Essen an, es war wirklich lecker und es gab von allem reichlich.

Für uns Volontäre musste es etwas zügiger gehen, denn wir wollten schnellstmöglich alles sauber bekommen, um nachts dann auch wirklich mit nach Bethlehem wandern zu können. Unser Plan ging auf und – während andere Helfer am Eingang versuchten, die Menschenmassen abzuhalten und nur diejenigen mit Tickets durchzulassen – waren wir exakt zu Beginn des Christnachtgottesdienstes fertig mit dem Spülen vom Gemeindeessen. Nun hieß es „Auf zum nächsten Programmpunkt!“, denn mit vielen anderen Helfern waren auch Ronja und ich dafür zuständig, in der Kirche alle Kerzen zu entzünden, um die Kirche in gemütliche, weihnachtliche Atmosphäre im Kerzenlicht zu tauchen. Alles ging gut, doch viel hatte ich leider nicht vom Gottesdienst – schon zu Beginn der Predigt musste ich wieder hinauseilen, um den Glühwein für den späteren Ausschank vorzubereiten. Doch alles klappte super und nachdem der Glühwein fast leer war, wurden wir zur Wanderung nach Bethlehem entlassen, worauf wir uns schon den ganzen Abend freuten!

Die Wanderung wird seit Jahren durchgeführt und ist wohl jedes Jahr eine große Voloattraktion – dieses Jahr waren wir rund neunzig Personen, die sich auf den Weg machten, mitten in der Nacht die knappen zehn Kilometer nach Bethlehem zu laufen – natürlich inklusive Mauer und Checkpoint. Wir kamen leider etwas zu spät los, wodurch drei andere Volontäre und ich erst nach den ersten zwei Kilometern wieder zur Gruppe stießen. Der Weg war leider, anders als ich es mir vorstellte, nicht sehr besinnlich, direkt an einer großen Straße entlang mit einem schmalen Bürgersteig, was nicht gerade die besinnliche Weihnachtsstimmung zum Ausdruck brachte. Doch als wir uns nach dem Checkpoint versammelten, um einer kurzen Andacht zu lauschen und danach weiter zur Geburtskirche liefen, war die Stimmung wieder da. Dort angekommen, sangen wir noch zwei Lieder und begaben uns nach einer kurzen Ansprache auch wieder auf den Heimweg – es war auch immerhin nach 4 Uhr nachts und wir hatten einen harten Tag hinter uns, sodass ich dann wirklich froh war, nach Hause gefahren zu werden. Um sechs Uhr morgens fiel ich dann völlig erschöpft, aber zufrieden, ins Bett.

Den Ersten Weihnachtsfeiertag verbrachte ich im Bett und holte den verpassten Schlaf wieder auf, um am Zweiten Feiertag dann endlich ausgeschlafen und wieder voll einsatzfähig auch einen kompletten Weihnachtsgottesdienst mitzubekommen. Später am Tag fand in der Himmelfahrtkirche ein großes "Christmas Carols Singen" statt, bei dem sich viele Deutsche, aber auch Israelis, Palästinenser und andere Nationalitäten einfanden, um zusammen deutsche wie internationale Weihnachtslieder zu singen und einen schönen Abend zusammen zu haben.

Abends hatten wir umliegende Volontäre zu einem großen Essen eingeladen, da beim Gemeindeessen so viel übrig blieb. So kamen noch einmal um die zwanzig Volontäre zusammen, die freudig noch bis nachts bei uns Aßen und Feierten – ein wirklich toller Abend und guter Ausklang der Weihnachtszeit!



Die folgenden Tage “zwischen den Jahren“ hatte ich frei – endlich wieder Ruhe, um auszuschlafen, um an anderes zu Denken und einfach die Zeit hier zu genießen.
So konnte ich endlich mal losgehen, Jerusalem richtig zu erkunden. Wie es vielleicht manche Großstädter kennen: Was man vor der Haustür hat, schaut man sich nie an, sondern geht dann lieber mal weg von dort, um andere Sachen zu sehen. Ich sah viele Sachen, für die ich mir vorher nie die Zeit nahm: Ich nahm die Dormitio-Abtei der Benediktiner in den ganz anderen Augen wahr, habe den traditionsreichen Abendmahlsaal gesehen, das für Juden wichtige Davidsgrab besucht, das legendäre Gartengrab gesehen habe es endlich mal geschafft zu einem armenischen Gottesdienst in die Jakobuskathedrale zu gehen … Wirklich toll, wenn man in einem bekannten Umfeld noch so viel neues entdeckt – und auch mitnimmt: ich habe mir vorgenommen, öfter mal die Gottesdienste andere Konfessionen zu besuchen, ist schon interessant, wie andere Christen für sich feiern.



Mittwoch, 8. Dezember 2010
Lasst uns froh und munter sein…
Auch nach Jerusalem hat der Nikolaus den Weg gefunden: Am Abend des 5. Dezembers kamen um die vierzig deutschsprachige Kinder zusammen, um zusammen den Nikolaustag zu feiern und Geschenke von ihm abzuholen. Der Knecht war aus extra aus Österreich eingeflogen und auch der Nikolaus konnte sehr gut Deutsch, dafür dass er aus Myra kommt, das in der heutigen Türkei liegt. Auch der türkische Märchenonkel aus Myra war in seiner Volkstracht dabei, um den Kindern über das wahre Handeln des Nikolauses zu erzählen. Alle Kinder waren brav und so bekam auch jeder ein Geschenk und der Knecht musste zum Glück keinen Gebrauch von der Rute machen. Danach wurde der Abend bei Würstchen und Kartoffelsalat ausklingen lassen und für den Nikolaus und den Knecht gab es sogar noch ein Bier :-)

Am späteren Abend wurde der Nikolaus dann spontan noch einmal zu den Landsleuten seines Knechtes ans Österreichische Hospiz bestellt, wo er auch den dortigen Volontären und Zivildienern Lob und Tadel aussprechen sollte. Da seine Arbeitskleidung leider auf dem Ölberg verloren ging, musste er spontan auf das Alternativkostüm umsteigen… Auch dort gab es als Entlohnung Glühwein und Gebäck, was den späten Einsatz sicherlich entschädigte.

Herzliche Grüße an alle Nikoläuse auf der Welt!



Arbeitsreiches Wochenende – Adventsbasar, Schneller-Symposium und Empfang beim Bundespräsidenten
Alles fing schön ruhig an: Während im Gästehaus und der Propstei schon alle Kräfte mobilisiert wurden, um die letzten Vorbereitungen für den Adventsbasar zu treffen und zeitgleich die Einweihung des neuen Obergeschosses im Gästehaus zu feiern, hatte ich einen schönen, ruhigen Freitag im Café Auguste Victoria. Die vielen Touristen und Pilger sind größtenteils schon wieder abgereist, man kann im Suq (arabische Einkaufsstraße und gleichzeitig der direkteste Weg quer durch die Altstadt, allerdings leider nur zwei Meter breit, was das Vorankommen zwischen Tourimassen sehr erschwert) wieder laufen und kann auch die Via-Dolorosa wieder passieren. Die Gottesdienstbesucher werden weniger und auch sonst wird alles wieder ruhiger.


Samstag: Adventsbasar
Am Samstag ging es dann los: Der Adventsbasar stand an. Schon die ganze Woche wurden Tische gestellt, Verkaufsgegenstände sortiert, Plakate vorbereitet … und jetzt war der Tag da. Morgens um acht trafen wir uns, um Sandwiches zu schmieren, letzte Kleinigkeiten vorzubereiten, die Kassen fertigzustellen und den anderen beim Aufbauen zu helfen. Am späten Vormittag kehrte dann langsam wieder Ruhe ein, die bekannte „Ruhe vor dem Sturm“. Alle Helfer (mehr als einhundert!) aßen zusammen Mittag und bereiteten noch die letzten Kleinigkeiten vor. Um kurz vor eins kam dann der Anruf, der alles noch mal veränderte: Der Drucker des Gemeindebriefes rief an, dass die Hefte nun fertig wären und er in zwanzig Minuten am New Gate wäre, um sie abzuliefern. Zum Glück waren meine Aufgaben schon erledigt und ich ging gleich los, um sie in Empfang zu nehmen. Statt den ein- bis zweihundert Exemplaren hatte der Gute nun gleich alle eintausend Hefte mitgebracht, die dann mit einer Arabiyye (einer Art Schubkarren, die einzige Transportmöglichkeit für größere Güter in der Altstadt) zur Kirche gebracht wurden. Dort der nächste Schock: Fünf Minuten vor Einlass standen unzählige Leute vor der Propstei, die auf Einlass zum Adventsbasar warteten. Wir lagerten dann erstmal den Großteil der Gemeindebriefe in der Kirche zwischen und nahmen nur ein paar mit hinein zum Verkauf.

Auf dem Basar war ein reichhaltiges Angebot vorhanden, von Olivenöl über Schokospieße und Waffeln bis zum traditionellen Glühwein war reichlich für Nahrung gesorgt und auch sonst gab es allerlei Weihnachtsausstattung zu kaufen: Adventskalender, Adventskränze, Lebkuchen und Weihnachtsstollen, um nur ein paar zu nennen. Dazu kam dann noch eine Tombola, Secondhand-Kleidung, einen Bücherflohmarkt und noch viel mehr. Es war also wirklich viel Geboten, was von Deutschen, Israelis und Arabern dankend angenommen wurde. So hatten wir in den drei Stunden, die der Basar offen war, um die 800 Besucher, die alle vollgepackt die Propstei verließen.
Die Erlöse gingen dieses Jahr in den Sozialfonds der Kirche: Sozialfonds EIJ
Falls Sie noch eine unterstützungswürdiges Projekt für Ihre Weihnachtsspenden suchen, kann ich Ihnen unseren Sozialfonds wirklich nahelegen. Das gespendete Geld kommt direkt Menschen zugute, die es wirklich benötigen.

Sonntag: Schneller Symposium in der Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg
Der Sonntag begann erst ganz normal mit dem Gottesdienst in der Erlöserkirche, bei dem mir die Aufgabe zugeteilt ist, an der Rezeption dafür zu sorgen, dass nur Gottesdienstbesucher Zugang zur Propstei bekommen, da für Touristen am Sonntag geschlossen ist. Danach ging es dann direkt los auf den Auguste-Victoria-Compound zur Himmelfahrtkirche, in deren Kaisersaal an diesem Tag die Einweihung des wiedergefundenen Schneller-Altars mit einem Symposium zum Leben und Wirken der Schnellerfamilie in Jerusalem gehalten wurde. Acht Vorträge wurden gehalten, die den Zuhörern anschaulich das Leben der Schnellerfamilie und das Zusammenbringen verschiedener Kulturen – egal welcher Herkunft – näherbrachte. Während der Vortragsreihe kümmerten wir uns um das Buffet. Zum Abschluss gab es einen feierlichen Gottesdienst, der erste seit siebzig Jahren an diesem Altar aus dem Syrischen Waisenhaus, zur Einweihung an seinem neuen Standpunkt. Bei diesem fiel mir die Aufgabe zu, das Kreuz der Prozession voran in die Kirche zu tragen – so langsam bekomme ich Übung! Das nächste Mal trage ich das Kreuz dann vielleicht sogar richtig herum! ;-)


Montag: Empfang beim Bundespräsidenten
Am Montag konnte ich dann erstmal schön ausschlafen, bevor ich abends zu einem Empfang mit dem Bundespräsidenten Wulff geladen war. Nach einiger Verspätung wegen einer kurzfristigen Planänderung sprach er nette Begrüßungsworte und stellte seine Delegation vor – von geschichtlich interessierten Jugendlichen über Politiker der Landes- und Bundesregierung und auch wichtige Persönlichkeiten im deutsch-jüdischen Dialog, führte er eine anschauliche Delegation mit sich.
Mit Herrn Wulff selbst war leider keine Möglichkeit ins Gespräch zu kommen, was ich doch sehr Schade fand, da es sich im Voraus in der Presse doch so angehört hatte, als wollte er wirklich mit uns über unsere Erfahrungen hier reden und sich Zeit nehmen, unsere Sicht auch einmal zu hören. Leider wurden – soweit ich das mitbekommen habe – nur drei Volontäre ausgewählt, die sich länger mit ihm unterhalten durften – davon waren zwei aus einer israelischen Siedlung im auf palästinensischem Boden, was das Interesse für die palästinensische Seite beim Bundespräsidenten sicher nicht allzu stark gestärkt hat. Und das bei einem sowieso sehr einseitigen Programm in diesen zwei Staaten. Dafür kamen wir mit der Tochter sehr nett ins Gespräch, auch mal interessant zu hören, wie es sich so als Tochter eines solch bekannten Politikers lebt und was sie alles so mitbekommen hat auf ihrer bisherigen Reise durch Israel (ohne besetzte Gebiete!).
Anschließend gingen wir im Sira, einer alternativen Bar in der Neustadt Jerusalems, noch etwas trinken und genossen die „gewöhnungsbedürftige“ Livemusik. Alles in allem ein toller Abend mit interessanten Gesprächen und der Erfahrung, auch den Bundespräsidenten mal aus zwei Metern Entfernung gesehen zu haben; von der Entfernung sah er eigentlich auch ganz sympathisch aus ;-)
So kam ein langes, arbeitsreiches Wochenende auch wieder zur Ruhe und nach einer kurzen Nacht begann die normale Arbeitswoche am Dienstagmorgen um acht.
(weitere Bilder folgen…)



Dienstag, 7. Dezember 2010
Ruhiger Urlaub auf der Sinaihalbinsel
Nach langer Zeit mal wieder ein neuer Eintrag in meinem Blog. In letzter Zeit war so viel los, dass ich gar nicht mehr dazu kam, Neues online zu stellen. Dafür habe ich nun umso mehr zu erzählen, deshalb jetzt auch drei Berichte in Folge:
Mitte November bot sich mir die Möglichkeit, mit zwei anderen Volontären in den Urlaub auf die Sinaihalbinsel in Ägypten zu fahren. Natürlich nutzte ich diese Chance, da mich das Gebiet schon seit Langem interessiert hat und eine Woche Urlaub natürlich auch nie schlecht ist. So nutzte ich meine ersten Urlaubstage.
Die Beiden kamen am Vorabend schon zu uns, wir saßen noch ein bisschen zusammen und gingen dann früh schlafen, um am nächsten Tag auch fit zu sein für die lange Reise. Früh morgens ging es los, wir kauften auf dem Weg noch die übliche Verpflegung für die Fahrt ein: Mit Pita, Humus und Gemüse war das Frühstück und Mittagessen gesichert. So fuhren wir um 10 Uhr von der Central Bus Station ab, um mit einer kleinen Pause um halb drei in Eilat anzukommen. Die deutlichste Veränderung war die Landschaft: Während wir vorher aus dem dicht bebauten Jerusalem kamen, ging die Fahrt quer durch die Negev-Wüste und als wir in Eilat ausstiegen, hatten wir eine Hotelstadt mit Palmen und wunderschönem Strand am Roten Meer vor uns.

Von Eilat aus stiegen wir direkt in den kleineren Zubringerbus zur Grenze. Die Grenzformalitäten waren schnell erledigt, keine Befragungen und Kofferkontrollen, wie wir es vom Flughafen kannten, die Ägypter ließen uns sehr unkompliziert passieren. Wir hatten schon fast vergessen, dass auch alles so unkompliziert gehen kann ;-)

Direkt hinter der Grenze hatten wir eigentlich mit Bussen gerechnet, doch war es schon nach vier Uhr, was lange nach der regulären Bustransferzeit lag. Wir mussten also ein Taxi nehmen, was aber – wie fast alles in Ägypten – recht günstig war. Wir verhandelten mit dem Taxifahrer, dass er uns so lange herumfährt, bis wir eine Unterkunft haben, was – aus späterer Sicht – auch sehr sinnvoll war. Die ersten drei Beach-Camps waren mehr als heruntergekommen und wir waren schon alle sehr abgeschreckt von unserem vermeintlichen Traumurlaub in Ägypten. Das vierte Camp, in das uns der Taxifahrer brachte, machte dann aber – nachdem der Besitzer aus seiner Hütte kam und Licht anmachte, wir waren die einzigen Gäste – einen ganz passablen Eindruck, was für uns nach der langen Reise dann endlich eine Schlafmöglichkeit bedeutete.

Am nächsten Morgen, nach dem Sprung ins Meer direkt drei Meter vor unserer Hütte, entschieden wir dann, die anderen Hotels, die wir schon von Zuhause gebucht hatten, wieder abzusagen und einfach spontan zu schauen, wo es uns hinverschlägt. So genossen wir den ersten Tag am Strand in unserem tollen „Sunsweir Beach“, gingen baden, schnorcheln, lagen den ganzen Tag faul am Strand und ließen uns bedienen. Das Schnorcheln war atemberaubend: Man fühlte sich wie im Tauchfilm! Wunderschöne Korallenriffe mit Fischen in allen Farben, die man sich vorstellen kann; Muränen in ihren Löchern und Seepferdchen am Meeresgrund. Dazu kam die wunderschöne Vielfalt der Fische, die in Schwärmen um einen herum schwammen, als wär man gar nicht da. Einfach genial!
Der ganze Strand war nur voller Camps, dreißig Kilometer bis zum nächsten Dorf und wir haben durch Zufall eines erwischt, in dem wir die einzigen Gäste waren :-) Wir hatten somit einen Privatstrand, drei Mitarbeiter die uns umsorgten, einen eigenen Streichelzoo und ein großes Gelände für uns. Einfach herrlich zum Ausspannen und Relaxen!

Am dritten Tag fuhren wir dann auf den Berg Sinai, hatten eine wunderschöne Taxifahrt durch die Wüste und wanderten in der Abenddämmerung bis knapp unter den Gipfel (immerhin um die 1000 Höhenmeter in eineinhalb Stunden Fußmarsch!)

Oben angekommen, bot uns einer der Besitzer der vielen kleinen Kaffeehütten an, dass wir bei ihm in der Hütte schlafen durften, was wir 5 °C Außentemperatur auch liebend gerne annahmen. Er erzählte von seinem Beduinenleben auf dem Berg, machte noch ein Kohlefeuer an, trank Tee mit uns und wir gingen alle früh schlafen, um am nächsten Morgen für den Aufstieg ausgeschlafen zu sein.

Am nächsten Morgen um drei stolperten die ersten russischen Touristen in den Coffeeshop, die sich überhaupt nicht daran störten, dass wir dort schliefen: sie unterhielten sich lauthals, setzten sich direkt neben unseren Kopf und fuchtelten mit Taschenlampen herum. Echt unmöglich, wenn man dort in aller Seelenruhe schläft. So standen wir eben auch so früh auf, und machten uns nach einer Tasse warmem Tee schließlich auf den Weg nach oben, was zwar nur noch 200 Höhenmeter waren, wir dafür trotzdem länger brauchten, als für den Aufstieg am Vortag: Alles war voller Touristen, Tausende strömten auf den Gipfel, um sich den Sonnenaufgang anzuschauen. Ein bizarres Bild, wie sich 80-Jährige, gestützt von Beduinen, mit ihrer Reisegruppe auf den Gipfel schleppen, teilweise auf allen Vieren die Treppe hochkriechen, um eine Stunde später, wenn die Sonne zu sehen ist, den ganzen Weg wieder herunterzuklettern.

So genossen wir nach dem langsamen, anstrengenden Aufstieg den wunderschönen Sonnenaufgang, auch wenn es bitterkalt war. Wir frühstückten oben und genossen die Landschaft, geprägt von hohen Bergen mitten in der Wüste. Auf der einen Seite die Steinwüste, die genau an diesem Berg fließend in eine Sandwüste übergeht. Einfach atemberaubend und auf Bildern überhaupt nicht festzuhalten. Es war wirklich wunderschön, dort oben zu sitzen und einfach nur die Landschaft zu genießen. Zwei Stunden später wurde es uns dann aber doch zu kalt und wir machten uns wieder an den Abstieg, schauten noch mal bei dem Shopbesitzer vorbei, bedankten uns und stiegen die Stufen bis zum Katharinenkloster herunter, der Alternative zum normalen Weg.

Unten angekommen besichtigten wir das Katharinenkloster, in dem ein Ableger des sagenumwobenen „Brennenden Dornbuschs“ steht, an dem Mose den Namen Gottes (JHWH) erfuhr. Erstaunlich unspektakulär erschien mir das Ganze: Der oft erwähnte „Brennende Dornbusch“ ist augenscheinlich lediglich ein großer Brombeerstrauch und auch die Kirche war über und über geschmückt und vergoldet, dass man von der eigentlichen Schönheit gar nicht mehr viel erkennen konnte. Auch die Touristenmassen, die sich in einer solch kurzen Zeit durch den kleinen Bereich des Klosters, das öffentlich zugänglich war, drückten und und einander anmotzten, wenn jemand zum Beten und Bewundern stehen blieb, machten die Atmosphäre und Eindrücke aus dem Innern nicht viel schöner.
Etwas Besonderes war dagegen der Ritt auf dem Kamel zum Parkplatz unseres Taxis, auch wenn es auf dem engen Sattel eines Kamels eher unvorteilhaft ist, ein Mann zu sein, waren die paar hundert Meter eine wirklich lustige Erfahrung :-)

Nach der Rückfahrt, auf der wir etwas Schlaf der letzten Nacht nachholten, kamen wir wieder in unser vertrautes Beach-Camp, genossen dort noch einen Tag am Strand und fuhren am nächsten Tag weiter zur Grenze nach Israel zurück.

Nach den – uns inzwischen bekannten – Befragungen und Durchsuchungen an der Grenze waren wir schließlich wieder im vertrauten Israel. Nach einem kühlen Bier und einer Runde Schnorcheln am Strand neben der Grenze fuhren wir nach Eilat, um dort noch eine Nacht zu feiern, bevor wir heimmussten. Es war Sonntagabend und so war nirgends etwas los, so tranken wir nur noch gemütlich etwas und ließen den letzten Abend gemütlich ausklingen.

So hatten wir ein paar wirklich tolle und vor allem entspannende Tage in Ägypten und im Süden von Israel, doch gleich ging es wieder in den Arbeitsalltag …
(weitere Bilder folgen, der Akku meiner Kamera ging leider auf dem Sinai leer…)



Donnerstag, 4. November 2010
Viel zu schnell geht die Zeit vorbei…
Gerade bin ich noch frisch angekommen und schon steh ich fest im Alltag. Ein „ganz normaler Tag“ ist aus den vielen Eindrücken und Erfahrungen auf den Straßen geworden. Es ist inzwischen völlig normal, dass man auf den Straßen fast nichts versteht und von jedem Ladenbesitzer die Waren angeboten bekommt. Die alten Gebäude und historischen Stätten sind inzwischen schon zum normalen Erscheinungsbild geworden und die Touristenmassen, die sich zur Zeit hier tummeln sind einfach nur noch nervig. Echt interessant wie schnell das geht – vor nicht mal zwei Monaten noch völlig überrumpelt, schon gehört es zur Normalität… Und doch: Das „gewisse Etwas“ bleibt. Ich genieße jeden Tag hier, genieße es, völlig sorgenfrei durch die Altstadt zu laufen und mich mit anderen Volontären über die Pilgergruppen lustig zu machen, die Holzkreuze die Via Dolorosa hoch schleppen, um den Leidensweg von Jesus nachzufühlen.

Ich genieße es, hier zu sein und jeden Tag neue Leute kennenzulernen. Natürlich nicht zuletzt durch die tollen Freunde und Mitvolontäre und die abwechslungsreiche Arbeit – die aber manchmal auch ganz schön anstrengend und nervig sein kann ;-)
Ein Ausbruch vom Alltag ist es immer wieder, wenn eine der Volontärsaktionen stattfindet, so haben wir schon letzten Freitag zum Beispiel auf dem Ölberg Oliven geerntet. Talitha Kumi, eine Schule nahe Betlehem hat eingeladen, die hunderte Jahre alten Olivenbäume zu ernten. Wir hatten sehr viel Spaß dabei und man hat viele neue Leute kennengelernt.

Nicht nur Volontäre, sondern auch ein paar Familien und ältere Urlauber haben den Weg zu uns gefunden, was viele lustige, aber auch interessante Gespräche hervorbrachte. Manche der älteren Damen waren schon x-Mal hier und haben seit der 1. Intifada immer wieder freiwillig Projekte unterstützt. War wirklich sehr interessant, was sie zu erzählen hatten. Leider konnte ich nur bis mittags bleiben, da ich ja eigentlich einen Arbeitstag im Café hatte. Zum Glück wurde ich für den Vormittag freigestellt, sonst wäre es mir gar nicht möglich gewesen dabei zu sein. Wir hatten an dem Tag auf jeden Fall unseren Spaß und haben auch einiges gearbeitet. Um die 600kg Oliven kamen zusammen – doch eine ganz schöne Menge!

Am Sonntag war nun Reformationstag, an dem wir auch voll eingespannt waren: Vormittags fand ein gewöhnlicher Sonntagsgottesdienst statt und nachmittags folgte ein internationaler Gottesdienst, bei dem alle Gemeinden, die hier in der Erlöserkirche Gottesdienste feiern, zusammen kamen, um gemeinsam einen vielsprachigen Gottesdienst zu feiern. Ein ziemlicher Unterschied zum Reformationstag in Deutschland war in erster Linie das Ausmaß: Während in Deutschland – zumindest so wie ich es kenne – ein relativ normaler Gottesdienst gefeiert wird, wurde hier ein riesiger Festakt darum gemacht. In einer Prozession wurde in die Kirche eingezogen, der Gottesdienst wurde teilweise parallel in arabisch, englisch und deutsch gehalten, danach wurde wieder feierlich aus der Kirche ausgezogen und danach war noch ein großer Empfang mit mehr als 250 Personen in der Propstei. Untermalt war alles noch mit einem Kinderchor.

Zwei arabische Mitarbeiter, wir beiden Volontäre hier und noch drei weitere Volontäre waren dabei den ganzen Tag voll eingespannt: Der Morgen verlief zwar ziemlich normal, aber danach ging es los, das Kreuz der Prozession voranzutragen, Häppchen zu verteilen, Getränke auszuschenken und natürlich auch alles wieder sauber zu machen. So hatten wir einen vollen und stressigen Arbeitstag, den wir dann aber bei einer „Abwaschdisco“ in der Küche mit lauter Technomusik und den Resten an Wein ausklingen ließen. Der Tag war im Nachhinein wirklich schön und zufriedenstellend, auch wenn es zwischendurch immer mal wieder ziemlich stressig war und wir den Montag als Ruhetag bitter nötig hatten.



Mittwoch, 13. Oktober 2010
Ein ungeplantes Wochenende
Das erste Wochenende an dem Nichts anstand. Ich wollte dringend mal wieder raus in die Natur, so schön Jerusalem mit all seinen verwinkelten Gassen und seinen alten Bauwerken ist, von Mutter Natur ist hier leider nichts zu sehen. So zog ich los und legte mir erstmal einen Schlafsack, eine Isomatte, eine Taschenlampe und einen Kompass zu; eben alles, was man für ein paar Tage im Freien braucht. Natürlich in der Hoffnung, alles noch öfter nutzen zu können.
Eigentlich war ein Trip mit mehreren Volontären geplant, aber am Samstag fiel dann allen ein, dass sie ja doch alle etwas anderes vorhatten. Ich wollt unbedingt raus und so zog ich eben alleine los. Ich hatte mir überlegt, erst nach Ein Gedi an das Tote Meer zu fahren, dort das erste Mal in meinem Leben im Toten Meer schwimmen zu gehen und anschließend irgendwie nach Massada weiterzukommen. Das alles schien schon fast zu scheitern, als ich den Bus nach Ein Gedi knapp verpasste. Doch zum Glück war das nicht der letzte und so konnte ich nach zwei Stunden Wartezeit doch noch los. Während ich dort wartete, traf ich einen lustigen, farbigen Israeli, der kein Wort Englisch oder Deutsch konnte und sich trotzdem unbedingt mit mir unterhalten wollte. Er versuchte, mich zu überreden, mit nach Tel Aviv zu kommen, aber meine Pläne gingen ja doch in eine andere Richtung.

Um fünf Uhr Abends war ich dann letztlich in Ein Gedi und freute mich erstmal riesig auf das Wasser! Jetzt erst fiel mir auf, dass ich völlig vergessen hatte, Badesachen einzupacken, aber das Wasser war so anziehend, dass ich mich trotzdem - nur eben mit Boxershorts - ins warme Nass stürzte. Es ist wirklich lustig, wenn man das erste Mal im Toten Meer ist, man kann überhaupt nicht schwimmen und man muss sich wirklich anstrengen, wenn man mal senkrecht im Wasser sein will. Wirklich etwas für Nichtschwimmer und faule Leute ;-)

Trotzdem genoss ich es total, nach dem langen Warten und der langen Busfahrt endlich im Wasser sein zu können, besonders bei der tollen Aussicht: Im Westen die Berge von Jordanien, im Norden und Süden das Tote Meer, von Bergen und Wüste eingeschlossen und im Osten lediglich eine riesige Felswüste mit riesigen Bergen. Einfach toll, diese Landschaft: so karg und doch so schön!
Während dem Schwimmen kam ich mit einer deutschen Familie ins Gespräch, die sich dafür interessierten, was ich hier mache, so ganz allein und voller Tatendrang. Als sie hörten, dass ich noch nicht genau wusste, wie ich nach Massada kommen soll, boten sie mir sofort an, mich mitzunehmen, sie hätten sowieso noch einen Platz im Auto frei. Also fuhr ich mit ihnen nach Massada. Sie fanden es total gut, dass ich einen Freiwilligendienst hier im Heiligen Land mache und versprachen auch, mich in Jerusalem mal besuchen zu kommen. Mal schauen, was daraus wird!

Von Massade wird immer wieder berichtet: Bis vor einigen Jahren wurden hier die israelischen Soldaten vereidigt, denn seit sich jüdische Aufständische im dritten Jahrhundert n.C. unter der Belagerung von Römern restlos gegenseitig umbrachten, um nicht in die Hände der Römer zu fallen und versklavt zu werden, ist die Felsenfestung auf Massada ein Symbol von jüdischer Stärke und Widerstandskraft.
So war ich also abends um Sieben in Massada und wusste nicht so recht, was ich mit der Zeit noch anfangen sollte. Ich ging Richtung Nationalpark, mit der Hoffnung, wenigstens noch einen Blick auf den Weg, den ich frühmorgens am nächsten Tag erklimmen wollte, werfen zu können. Der Park war allerdings schon geschlossen und der Wachmann verbat mir auch gleich, als er mich mit meinem Schlafsack auf dem Rücken sah, in der Wüste zu schlafen. Es war auch schon stockdunkel, sodass ich den Weg nicht mal erahnen konnte. Doch wie man mich kennt, legte ich mich gerade mal 500 Meter weiter in einen kleinen Flusslauf, von der Straße natürlich nicht zu sehen und schlug mein Lager auf.

So genoss ich die Aussicht auf Jordanien und die Stille der Wüste um mich herum. Ich ging früh schlafen, um am nächsten Tag fit zu sein. Außerdem konnte man sowieso nichts mehr machen, weil es schon stockdunkel war und ich mich durch jegliches Licht sofort verraten hätte. Der Wecker stand auf Vier Uhr morgens, gehört habe ich ihn erst um fünf. Nach einer harten und steinigen Nacht machte ich mich also an den Aufstieg. Auf dem Weg frühstückte ich kurz: Ein Apfel und 1,5 Liter Wasser, für mehr war keine Zeit. Um viertel nach sechs war ich oben, doch zu spät: Die Sonne war bereits aufgegangen und es war schon brütend warm. Bis ich oben war, hatte es gefühlte 30° C und ich war völlig durchgeschwitzt.

In dieser „Kühle“ machte ich mich schnell daran, das Bergplateau zu erkunden. Es sind wirklich erstaunliche Ausmaße dort oben: Ruinen von prächtigen Badehäusern und Palästen, teilweise aus dem dritten Jahrhundert n.C. stammend, zeugten von einem großen Reichtum und warfen natürlich die Frage auf, wie damals alles auf den Berg gebracht wurde, wenn es heute schon Touristen aus der Puste bringt, sich nur selbst dort hoch zu schleppen... Besonders beeindruckend waren die erhaltenen Mosaikfußböden, Wandmalereien und auch das ausgeklügelte Wassersystem.

Das Schmelzwasser im Tal wurde aufgefangen, von Lasttieren die 300 Höhenmeter nach oben transportiert und dort in großen Zisternen aufbewahrt. Einfach unglaublich, dass so viel Wasser nach oben transportiert werden konnte, um Bäder zu betreiben. Nach einem etwas ausführlicheren zweiten Frühstück ging es dann wieder an den Abstieg, denn was einmal funktioniert, geht auch noch ein zweites Mal!

Unten angekommen, wurde die Frage immer größer, was man an einem solchen angebrochenen Tag noch machen könnte, es war ja schließlich erst halb zehn morgens. Einen Reiseführer hatte ich natürlich nicht dabei und so fiel meine Wahl auf Be’er Sheva, der Karte nach eine recht große Stadt, da muss es ja eigentlich etwas für Touristen geben! Es stellte sich heraus, dass der Bus erst in drei Stunden fahren sollte, was ich nutzte um auf einem Picknickplatz für die Busfahrer noch eine Runde zu schlafen, Mittag zu essen und um noch ein bisschen die Landschaft zu genießen. Als ich dann endlich im Bus saß, schlief ich fast direkt wieder ein und wachte erst kurz vor der Endstation wieder auf. So stieg ich aus und suchte nach einer Touristinfo, doch da war ich hier absolut falsch: Die Schilder alle nur auf hebräisch (in Touristenstädten meist zwei- oder dreisprachig). So ging ich erstmal in eine Einkaufsmall, einen Geldautomaten suchen und fragte den netten Wachmann, ob es hier etwas für Touristen zu sehen gäbe, der schaute mich an, fing lauthals an zu lachen und erklärte mir dann, dass ich der erste sei, der ihn jemals so etwas gefragt hätte und das es hier absolut nichts zu sehen gäbe. Lediglich eine israelische Großstadt.

Enttäuscht rief ich noch eine andere Volontärin an, die für mich kurz im Internet nachschaute, mir dann aber auch die ernüchternde Antwort geben musste, dass die mehr als zwei Stunden Busfahrt umsonst waren. Wenigstens war ich jetzt ausgeschlafen! Also lief ich noch etwas planlos umher, um dann den nächsten Bus heim zu nehmen. Hierher werde ich mich so schnell nicht mehr verirren.



Konzert von den „Toten Hosen“ in Tel Aviv
Sonntagabend war in Tel Aviv ein Konzert der deutschen Rockband „Die Toten Hosen“ angekündigt. Durch Zufall bekam ich am Freitagabend, als ich meinen Geburtstag feierte, noch die Möglichkeit, eine Karte zu ergattern: Ein anderer Volontär lag mit Lungenentzündung im Bett und konnte deshalb nicht mitkommen.

Die Chance ließ ich mir natürlich nicht entgehen und fuhr mit einer ganzen Gruppe anderer Deutscher abends, nach dem Oktoberfest, noch nach Tel Aviv. Dort angekommen, waren wir erstmal ziemlich fassungslos: Eine ziemlich kleine Bar (für alle Wieslocher: Etwa zweimal so groß wie der Rock & Pop Verein) und alles machte keinen sehr professionellen Eindruck. Hier sollten die Toten Hosen spielen?

Die Vorband spielte israelischen Punk, etwas gewöhnungsbedürftig, war aber dafür doch recht gut, man konnte es auch (fast) nüchtern ganz gut ertragen... Als dann eine Stunde später die Hosen auf die Bühne kamen, war die Menge schon völlig in Partystimmung: Schon in der Umbaupause wurden die ganze Zeit irgendwelche Parolen und Lieder angestimmt und die Stimmung war bereits echt gut, als die - inzwischen auch schon älteren - Herren auf die Bühne kamen.

Die Band legte gleich voll los und alle machten mit: Gleich ab dem ersten Lied wurde in den ersten Reihen getanzt, ich natürlich mittendrin :-) Die Toten Hosen gaben sich Mühe, ihre Ansprachen immer in drei Sprachen zu halten: Hebräisch, Englisch und Deutsch, was zu späterer Stunde aber dann auf fast nur noch Deutsch hinauslief. Kein Wunder: In dem Club, in dem maximal 300 Personen waren, waren maximal 30 Israelis anzutreffen. Alles war voll von deutschen Volontären und anderem deutschen partyfreudigem Volk; manche waren sogar extra aus Deutschland angereist für das Konzert.

Die „Deutschpunkband“, wie sie sich selbst gern nennen, lieferte ein geniales Konzert ab, im Repertoire waren von den Klassikern wie „Hier kommt Alex“, über „Alles Aus Liebe“ bis zu „10 Kleine Jägermeister“ alles vertreten, und auch die Lieder vom neuen Album „Strom“ waren vertreten. Campino legte trotz dem kleinen Club eine überragende Bühnenshow hin: Er sprang auf der Bühne herum, animierte die Leute, gab dem Menschenknäul vor der Bühne Wasser zum trinken, kletterte auf der Bar und der Empore herum, rannte durch den ganzen Club, mitten durch die Zuschauer. Am Ende übte er sich auch noch in seinem Lieblingssport „Stagediving“.

Alles in Allem ein wunderbarer Abend, den ich so schnell nicht vergessen werde! Es hat sich wirklich gelohnt, sich den Stress zu machen und nach dem Oktoberfest auch noch hierher zu kommen!



Deutsches Volksfest im Exil - Oktoberfest in Taybeh
Am Sonntag nach dem Gottesdienst brach eine kleine Delegation aus Jerusalem auf zu einem der größten Volksfeste in der Westbank: Dem Oktoberfest in Taybeh. In dem kleinen - erstaunlicherweise fast ausschließlich christlich besiedelten - Dorf Taybeh wird seit 1955 Bier gebraut, das Oktoberfest wurde erstmals aus Mitteln zweier großer gemeinnütziger Stiftungen ausgerichtet. Seitdem floriert die Bierbrau-Wirtschaft in dem kleinen Dorf in der Westbank. Das - nach eigenen Angaben - „Finest beer in the Middle East“ ist gerade in der größtenteils muslimischen Westbank auch in der alkoholfreien Variante sehr beliebt.

Als wir in Taybeh ankamen, machten wir erst noch einen kurzen Abstecher zur eigentlichen Brauerei. Dort standen fünf schwarze Geländewägen und viele nette Männer mit Ohrstöpseln herum - Besuch vom US-Botschafter? Man wird es wohl nie erfahren ;-) Die Brauerei ist sehr klein, eine große Garage mit fünf großen Braukesseln drin, mehr ist es nicht. Wie in dieser kleinen Halle so viel Bier hergestellt wird, ist mir immer noch ein großes Rätsel. Allerdings macht dies auch den unstetigen Geschmack etwas verständlicher: Da wohl öfter Wassermangel im Dorf herrscht, variiert der Geschmack je nach Abfüllungsdatum von süßlich-herb bis säuerlich-bitter ziemlich stark. Trotzdem ein sehr leckeres Bier - wenn man das richtige Abfülldatum erwischt!

An diesem großen Tag für das kleine Dorf war der Geschmack natürlich unübertrefflich, richtig gut, eisgekühlt, ein wirklich gutes Bier. Die Band und die Mittagshitze taten ihr übriges, dass sehr schnell eine ausgelassene Stimmung auf dem ganzen Platz war. Die israelische Band „Toot Ard“ von den Golan Höhen heizte allen mit einer interessanten und auf jeden Fall genialen Mischung aus Reggae, Tanzmusik und klassischen arabischen Rhythmen war einfach genial und hat super auf das Fest gepasst. Es wurde getanzt, gelacht und eine tolle Zeit zusammen verbracht. Einfach toll!

Anschließend wurden Oktoberfesttypisch (?) Wettkämpfe gemacht, traditionelle Volksmusikgruppen spielten zum Tanz und dann wurde es für uns auch schon Zeit zu gehen, wir hatten noch viel vor an dem Abend…

Der Bürgermeister (und Bruder des Brauereigründers und -besitzers) bedankte sich über Plakate bei allen Anwesenden für ihr Erscheinen. Die Veranstaltung war wirklich der Hammer! Jetzt weiß ich, was ich mir unter einem arabischen Volksfest vorzustellen habe.



Donnerstag, 30. September 2010
„…um 5 Uhr geht’s los!“
Samstag Abend nach einem unserer Konzerte, wurden wir vom Propst zu einem Morgengebet eingeladen, „One Peace Jerusalem“ (http://onepeacejerusalem.org/), eine religiöse Gruppe, die für Frieden im Land steht, rief um fünf Uhr morgens zum Morgengebet.

Die Aktion war wirklich gut und sinnvoll organisiert: Vertreter des Islams, des Judentums und des Christentums im Heiligen Land kamen zusammen, um von einer Zitadelle am Jaffa-Gate nacheinander Friedensgebete ihrer jeweiligen Religion zu sprechen, während dem die Sonne über dem Ölberg und der Altstadt aufgeht.

Das Ereignis wurde über einen Livestream in die ganze Welt übermittelt. So waren von Sydney nach New York Zuschauer live dabei. Zum Ende wurde - als Zeichen des Friedens - zwei Tauben fliegen gelassen und der Tag brach an.

Es war eine wirklich tolle Aktion und der Ausblick war atemberaubend. Es hat sich wirklich gelohnt, so früh aufzustehen!

Kleine Notiz am Rande:
Im Moment feiern die Juden hier Laubhüttenfest, während dem sie an jedem Morgen bei Sonnenaufgang ein Ritual durchführen, bei dem sie einen „Feststrauß“ aus einem Palmzweig, Myrtezweigen, Bachweidenzweige und Etrog in alle Himmelsrichtungen drei mal geschüttelt wird. So natürlich auch an diesem Morgen, wirklich eindrücklich, wenn ein paar Leute das gemeinsam machen…



Der Eichmann-Prozess aus heutiger Perspektive
So lautete der Titel vom letzten Gemeindeabend in unserer Gemeinde. Gabriel Bach, der stellvertretende Ankläger im Eichmann-Prozess, der auch heute gerade für Israel noch sehr wichtig ist, war Referent an dem Abend und hat Geschichten von seinen Erfahrungen und Ermittlungen erzählt, die einem heute noch Schauer über den Rücken jagen. Ich will hier gar nichts davon wiedergeben, weil man es einfach von ihm selbst hören muss, dass es richtig rüberkommt.

Demnächst wird Gabi Bach wohl auch in Deutschland unterwegs sein und Vorträge halten, falls jemand von euch die Möglichkeit hat, geht unbedingt hin! Es lohnt sich auf alle Fälle!



Haifa
Letzte Woche waren wir zusammen mit ein paar anderen Volontären vom Österreichischen Hospiz in Haifa, einer wunderschönen Stadt, die früher eine kleine deutsche Kolonie war. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt im verrückten Verkehrssystem (Welches System? Fahre wer kann!) waren wir dort und fanden nach einigem Suchen auch einen Parkplatz nahe dem Zentrum. Inzwischen ist dort der Hauptsitz der Bahai, einer neuzeitlichen Glaubensrichtung, die dort den ganzen Berg herunter riesige Gärten aufgebaut hat.

Leider sind diese - bis auf Führungen - für Touristen unzugänglich und man konnte nur von unten hoch und von oben herunter schauen. Es war trotzdem das meiste Grün an einem Fleck, das ich im letzten Monat gesehen habe.

Anschließend suchten wir aufgrund der doch sehr warmen Temperaturen (gefühlte 45° C im Schatten!) schnellstmöglich das Meer auf. Wir fanden einen wunderschönen Strand, der völlig menschenleer war und bei dem echt tolle Wellen waren  Dort war toller Sandstrand, der leider immer wieder mit scharfen Steinen unterbrochen war, weshalb ich mir dort beide Füße aufgeschnitten habe…

Nach einem Touri-Gang (nur mit Badehose bekleidet durch die Innenstadt ;-) ) zum nächsten Supermarkt und anschließendem Mittagessen gingen wir nochmal ins Wasser, manche schliefen am Strand ein, und nach dem traumhaften Sonnenuntergang gingen wir dann auch wieder nach Hause. Im Auto schliefen dann alle - bis auf den Fahrer - ein.

Alles in allem ein echt toller Tag mit viel Erholungswert und viel, viel Spaß zusammen!



Samstag, 25. September 2010
Erste Eindrücke von der Westbank
Jetzt sind schon wieder zwei Wochen vergangen, seit meinem letzten Blogeintrag. Sovieles ist passiert: Der erste Kindergottesdienst in Latroun - zum Glück noch nicht von uns organisiert - verlief echt nett, erstaunlich viele Kinder kamen und es hat echt Spaß gemacht!

Ein paar Tage später hatte ich die Möglichkeit, mit einem Pfarrer aus Deutschland, der gerade einen Dokumentarfilm dreht, unseren etwas außerhalb von Jerusalem gelegenen, wunderschönen Zions-Friedhof anzuschauen. Interessant waren hier vor allem die älteren Gräber: Die Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, haben teilweise Schulen aufgebaut oder Stadtviertel entworfen, also wirklich große Dinge vollbracht.

Ich war inzwischen schon zwei Mal in Ramallah, einen anderen Volontär besuchen. Die Stadt ist wirklich beeindruckend: Natürlich viel moderner als Jerusalem, aber dafür auch umso dreckiger. Obwohl die palästinensischen Einwohner genau so viele Steuern zahlen, wie die israelischen Einwohner der Weststadt Jerusalems, ist die Müllentsorgung lang nicht so gut geregelt, so war zumindest mein Eindruck. Beziehungsweise: Manchmal hat man auch das Gefühl, dass sie einfach anders geregelt ist: An jeder Straßenecke stehen rußgeschwärzte Müllcontainer, und von Zeit zu Zeit sieht man auch einfach mal einen davon brennen…

Trotzdem ist Ramallah als „Hauptstadt Palästinas“ (obwohl es ja kein Palästina mehr gibt… ) echt beeindruckend: Man kann in die angrenzenden Wüsten schauen, es ist viel Leben auf den Straßen, die Leute sind total freundlich und man ist überall, wo man hingeht das absolute Highlight ;-)

So saßen wir abends zum Beispiel in einer Nargile(dt. Wasserpfeife)-Bar, hatten natürlich unsere Mädels mitgenommen und irgendwie war die Bar eigentlich nur für Männer bestimmt ;-) Wir hatten unseren Spaß, nur den Mädels war es glaube ich ein bisschen peinlich. Mit dabei waren auch ein paar Palästinenser, die wir dort kennengelernt hatten, war echt interessant, mal ihre Sichtweise der Welt zu hören.

Wir besuchten eine Musikschule, die sich selbst das Ziel gesteckt hat, mit dem Zugang zur Musik den Kindern und Jugendlichen eine Alternative zum „normalen“ Leben (mit Spielzeugpistolen, Counterstrike usw.) zu bieten. Einer aus der Nargile-Bar hat dazu gesagt, dass er wirklich noch nie eine Waffe, ob Spielzeug oder echt, angefasst hätte. Als wir dort in der Musikschule waren, wurden wir damit begrüßt, dass die Musiklehrer sich in ihrer freien Zeit trafen und zusammen Musik machten: Ein Privatkonzert für uns! :-)

Bei unserem zweiten Besuch, durften wir einer muslimischen Hochzeit beiwohnen, die aber wesentlich unspektakulärer verlief als erwartet. Anders als bei uns, war der eigentliche Festakt schon ein halbes Jahr vorbei und nur die Feier war noch. Die Männer saßen an Tischen im Freien, während die Frauen oben tanzten. Viele kamen auch einfach nur 20 Minuten vorbei, tranken einen Kaffee und gingen wieder. Als dann nur noch die engste Familie (und wir!) da war, gingen die Männer auch mit hoch und tanzten mit den Frauen und um nicht mal elf Uhr abends wurde dann abgebaut.
Alles Gute für das Ehepaar!



Donnerstag, 9. September 2010
Tolle Arbeit + Viel Erholung = Geniale Zeit
Am Sonntag war der erste Tag, an dem ich wirklich in der Kirche mitgeholfen habe, sozusagen mein erster „richtiger“ Arbeitstag. Weder Ronja (meine Mitvolontärin hier in der Erlöserkiche) noch ich wussten, wann der Tag eigentlich für uns beginnen sollte, also schaute ich kurz vor dem Schlafengehen noch mal kurz in unser Übergabeprotokoll, eine Art Leitfaden für neue Volontäre. Dort stand, dass ab halb neun einer von uns die Rezeption besetzen solle. Ich tat wie mir geheißen, doch da saß schon jemand: Die Tochter von einem unserer Facility Manager übernimmt dies wohl in der vorlesungsfreien Zeit - gut zu wissen! Jetzt war ich also auch noch eine Stunde zu früh aufgestanden, was aber nicht weiter schlimm war, weil ich so ein paar Leute aus der englischsprachigen Gemeinde, die genauso wie die deutsche und arabische Gemeinde hier Sonntags ihren Gottesdienst feiert, kennenlernte. Kurz darauf kamen auch schon die ersten Volontäre an, denn an dem Gottesdienst heute sollten alle Volontäre, die irgendwie mit der „Stiftungen der Evangelischen Kirche Deutschland im Heiligen Land“ in Verbindung standen, für ihre Arbeit gesegnet werden. So lernte man wieder viele neue Volontäre kennen. Wir feierten gemeinsam einen schönen Gottesdienst und trafen uns danach noch bei Kaffee und Tee, wobei man sich etwas näher kennenlernte. Auch die Mitarbeiter des Theaterprojekts, die uns bereits am Mittwoch interviewt hatten, waren wieder dabei, wodurch wir auch noch einmal die Möglichkeit hatten, in Erfahrung zu bringen, für was sie uns überhaupt ausfragten und um etwas mehr über das Projekt zu erfahren. Als letztlich alle wieder gegangen waren und wieder alles in den Ausgangszustand versetzt war, waren wir zum Mittagsessen bei unserem Pfarrvikar eingeladen.
Zum Abendessen waren wir wieder beim Österreichischen Hospiz geladen, auf dem Weg dorthin wurden wir das erste Mal Zeuge von einer etwas unruhigen Situation: Israelische Soldaten hatten eine Straße gesperrt, scheinbar völlig willkürlich wählten sie Leute aus, die hindurch durften und andere die weitergeschickt wurden. Es wurde beiderseits geschrien, gebrüllt und geschoben, aber alles verlief einigermaßen friedlich, soweit wir das mitbekamen.
Abends kam eine Gruppe Theologiestudenten/innen zu Besuch, die hier im Heiligen Land eine Art Auslandsjahr absolvieren und wir gingen gemeinsam auf den Turm. Von oben war zu sehen, was wir schon den ganzen Tag beobachtet haben: Gefühlte tausende Muslime pilgerten zum Tempelberg, um dort einen wichtigen Feiertag zu feiern (ein lustiges Bild: auf der Reise zum Tempelberg waren alle über und über mit Essen beladen, manche hatten Kissen dabei usw.). Von oben sah es eher aus wie ein riesiges Mosaik, in dem sich alle Steinchen auf dem Tempelberg bewegten. Einfach der Wahnsinn, selbst der Platz um den Felsendom herum war völlig überfüllt mit Leuten, wie sah es da wohl im Felsendom selbst aus?

Nach den Studenten/innen kamen noch einmal die Leute vom Theaterprojekt, die nochmal einen Tee mit uns tranken und sich von uns verabschiedeten, da sie am Montag größtenteils fliegen würden. Letztlich gab es dann noch ein kleines Problem mit zwei israelischen vom Theaterteam, die eigentlich in Jerusalem schlafen wollten, aber noch keine Schlafmöglichkeit hatten. Sie an einem solchen muslimischen Feiertag allein in der Innenstadt wäre natürlich nicht besonders freundlich gewesen, deshalb wurde dann noch ein Schlafplatz in der Nähe organisiert, den sie dann allerdings gar nicht brauchten, da sie doch noch nach Tel Aviv heimfuhren. Auch Florin und ich waren noch nicht so müde, dass wir ins Bett wollten und so schlossen wir uns Volontären aus dem Österreichischen Hospiz an, die gerade auf dem Heimweg waren und tranken dort mit ihnen und den Theaterleuten, die dort heute Nacht auch schliefen noch ein Feierabendbier und betrachteten die angespannte Situation zwischen israelischen Soldaten und den palästinensischen Muslimen. Um kurz vor drei kamen wir schließlich heim und hatten schon wieder großes vor: Morgen sollte es zum Meer nach Tel Aviv gehen.
Nach einer etwas kürzeren Nacht beeilten wir uns Montagmorgen, schnell zum Money Changer und anschließend zum Großraumtaxi nach Tel Aviv zu kommen. Nach einer etwas chaotischen und langwierigen Fahrt kamen wir endlich an der Central Bus Station an, wo dann auch das Taxi wartete. Wir fuhren nach Tel Aviv, um uns am dortigen Busbahnhof erstmal ziemlich zu verlaufen. Irgendwie schafften wir es, dann doch den richtigen Bus zum Strand zu finden und genossen den Tag bei strahlender Sonne am Meer.

Das Wasser war genau so warm wie die Luft, leider keine wirkliche Abkühlung. Die Umgebung war leider etwas enttäuschend: Auch wenn der Blick aufs Meer traumhaft schön ist, ist die Strandpromenade von Tel Aviv nicht so schön wie erwartet: Nur Betonklötze und heruntergekommene Häuser - etwas schade! Florin hatte vorher mit einem Israeli, den er aus einem Schüleraustauschprogramm schon kannte, ausgemacht, sich dort zu treffen. Es war wirklich interessant, mit ihm über die momentanen Ereignisse zu reden und seine Meinung zu politischen Dingen zu hören, die erstaunlicherweise wirklich kritisch und friedlich war, was aufgrund diverser Presseartikel leider nicht selbstverständlich ist… Nach viel hin und her kamen wir auch wieder irgendwie Heim (er bot uns an uns zu fahren und wir kamen genau in die Rush-Hour und schließlich verliefen wir uns erneut im Busbahnhof) und ließen den Abend dann gemütlich ausklingen. Es war ein toller Tag in einer ganz anderen Welt: Während in Jerusalems Altstadt alle nur bedeckt und mit langen Hosen und Schleiern herumlaufen, war es in Tel Aviv völlig gelöst: Frauen mit Miniröcken, in Bikinis, Männer mit Badeshorts und Oberkörperfrei mitten in der Innenstadt - echt der Hammer, was die paar Kilometer ausmachen!



Eindrücke aus den Straßen Jerusalems
Schon am ersten Tag fiel es auf: Man hat das Gefühl, dass hier jeder - anders als bei uns in Deutschland - einer bestimmten Religion angehört, sich auch offen zu dieser bekennt und auch strikt alle Regeln einhält - so handelt man sich zum Beispiel schon mal einen nicht ganz freundlichen Blick von Muslimen ein, wenn man während dem Ramadan mit einer Falafel, sozusagen der Nationalspeise in Israel, über die Einkaufsstraße läuft.
Auch das öffentliche Bekennen hier ganz anders: Jede Religion hat einige Kleidungsmerkmale, sodass meist schon von weitem erkennbar ist, welcher Religion jemand angehört. Wer trägt bei uns zum Beispiel noch Kreuze als Halsketten? Ich würde behaupten nicht mal 1% aller Getauften. Hier ist das anders: Jeder hat ein religiöses Merkmal irgendwo, vom kleinen Goldkettchen mit einem Kreuz um den Hals bis zur koptisch-orthodoxen Kutte mit großem Umhängekreuz, von den Juden mit Kippa (kleine Gebetskäppchen) bis zu den ultraorthodoxen Juden mit komplett schwarzen Anzügen und schwarzen Hüten, meist kommt dazu noch ein schwarzer Mantel (bei ca. 30° C im Schatten!). Die vielen verschleierten Frauen mal ganz außen vor zu lassen. Man sieht auch oft Muslime mit ihren Gebetsteppichen durch die Straßen ziehen. Fünf mal am Tag schallen von allen Seiten verschiedene Stimmen von Muezzin (=Gebetsrufern) auf Minaretten, die gläubige Muslime zum Gebet ruft, was sich in europäischen Ohren eher nach einem verrückten Singsang anhört.

Man erlebt hier sehr viel und die Religionen werden sehr offen ausgelebt. Auffällig ist leider nur, dass die Gruppen sich selten bis nie untereinander mischen. So gibt es in der Altstadt ein Viertel für die Armenier, ein klar bestimmtes arabisches Viertel der Muslime, ein jüdisches Viertel und ein christliches Viertel. Außerhalb der Altstadt ist es genauso: Es gibt arabische Gebiete, wie zum Beispiel auf dem Ölberg, während direkt auf der anderen Straßenseite das israelische Gebiet beginnt, auf dem das Universitätsgelände untergebracht ist. Große Teile der Stadt sind komplett israelisch besiedelt und dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung vom Staat Israel von Muslimen nicht einmal betreten werden.
Straßenseiten machen hier wirklich Welten aus: Normalerweise ist auf israelischem Boden die Deutsche Botschaft in Tel Aviv zuständig, nun wollte ich mich heute in eine Liste eintragen und ich schaute zur Sicherheit noch einmal nach, wo die zuständige Botschaft ist, und da die Erlöserkirche in Ost-Jerusalem ist, musste ich mich bei der Botschaft in Ramallah einschreiben. Nur ein paar Straßen weiter und wir hätten zur Botschaft in Tel-Aviv gehört.
So bin ich momentan wirklich noch völlig überwältigt von den schönen Gebäuden der Altstadt, den viele verschiedenen, interessanten Menschen auf den Straßen, meiner Volontärstelle, den vielen tollen Leuten die man kennenlernt und so weiter, man kann es gar nicht in Worte fassen, es ist einfach etwas ganz eigenes hier und einfach nur umwerfend!



Mein erster Arbeitstag
Donnerstagmorgen gingen wir erstmal mit unserer Verwaltungsleiterin Fr. Werth frühstücken, um die Aufgaben der Volontäre und die „Do’s und Dont’s“, wie es neudeutsch so schön heißt, zu besprechen. Den Rest des Tages bekamen wir dankenswerter Weise nochmal frei, was wir für eine Entdeckungstour durch die Altstadt nutzten.

Am Freitagmorgen sollte es nun also losgehen: Mein erster Arbeitstag im Café Auguste Victoria. Ich kämpfte mich durch die völlig verstopften Straßen (da Ramadan für die Muslime und Sabbath für die Juden war, war die ganze Stadt auf den Beinen) zum Damaskus Gate durch, um von dort aus dann mit einem Bus zur Auguste-Victoria-Stiftung auf den Ölberg zu fahren. Dort angekommen zeigte mir Nele, die Volontärin, die sich um alles rund um das Café kümmert, erst einmal alles, was ich irgendwie brauchen könnte. Freitags ist wohl immer der ruhigste Tag für das Café, hab ich ja mal wieder gut hinbekommen, ich werde dort nämlich nun jeden Freitag arbeiten.  Mittags kamen noch Constanze und Florin, zwei andere Volontäre, die auf dem Ölberg beschäftigt sind, um uns dabei zu helfen, Sandwiches für eine größere Reisegruppe, die sich angekündigt hatte, vorzubereiten. Außer der Reisegruppe war wirklich nicht viel los, ungefähr 10 andere Gäste kamen für Kaffee, Sandwiches und Kuchen.

Das war aber nicht weiter tragisch, da ich dadurch viel mehr Zeit hatte, mit Nele über die Hintergründe des Cafés zu reden. Das Café unterstützt mit seinen Einnahmen viele soziale Projekte, so wird Kindern aus armen palästinensischen Familien das Schulgeld für eine gute Bildung gezahlt. (Die staatlichen Schulen sind hier wohl sehr schlecht, dass wirklich nur die, die absolut keine andere Möglichkeit haben, diese besuchen. Viele Schulen sind auch vom Ausland finanziert, so gibt es französische, deutsche und englische Schulen und natürlich auch von religiösen, vor allem christlichen, Einrichtungen. Dies sind nur zwei Beispiele für die Vielseitigkeit der Projekte, die unterstützt werden, es gibt noch viele weitere.) Ein Teil der Einnahmen fließt zu dem Sozialfond der Stiftung der EKD im Heiligen Land, die damit wiederum bedürftigen Menschen hilft. Auch wurden aus den Einnahmen Katzen, die hier ein echtes Problem sind, da sie zu tausenden durch die Straßen streunen und sich uneingeschränkt fortpflanzen und so auch aus öffentlichen Mülltonnen leben und Krankheiten verbreiten, sterilisiert.
Zum Ende meiner Arbeitszeit kam Florin noch einmal vorbei und fuhr mit mir zurück in die Stadt. Wir kämpften uns durch das Damaskus Gate, das völlig überfüllt war und die komplett mit Menschenmassen verstopfte Altstadt. Freitags ist dies wohl immer so, da das der „muslimische Sonntag“ ist, an dem alle zum Gebet und vom Gebet kommen. Dadurch war auch die israelische Armee und Polizei in der ganzen Stadt sichtbar und Wasserwerfer standen bereit. Für die Altstadt wurde vom Auswärtigen Amt eine Warnung vor Unruhen ausgegeben, aber alles blieb - zumindest soweit ich mitbekommen habe - ruhig.

Ich musste direkt weiter zur täglichen warmen Mahlzeit bei dem Österreichischen Hospiz. Danach kam Florin noch mit zu uns, wir tranken auf den Dächern von Jerusalem noch eine Flasche Wein und genossen die Aussicht. Als abendlichen Abschluss gingen wir noch der Einladung unserer Österreichischen Freunde aus dem Hospiz nach und gingen noch zu ihnen, um dort die anderen Volontäre der Stadt kennenzulernen. Dabei lernten wir auch einige palästinensische Angestellte des Hauses kennen. Der Genuss einer Nahöstlichen Shisha durfte dabei natürlich auch nicht fehlen, allerdings heißt dies hier Argile, Shisha nennen sich hier Cannabisprodukte.

Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns dort und gingen zur Erlöserkirche zurück, auch Florin schlief bei uns, da Busse Freitags aufgrund des Feiertags nicht lang fahren, hätte er sonst auf den Ölberg laufen müssen, was bei der derzeitigen Situation nicht allzu empfehlenswert gewesen wäre.



Freitag, 3. September 2010
Der erste Tag im Heiligen Land
Um 22:25 Uhr am 31.08.2010 ging endlich der lang erwartete Flieger nach Tel Aviv. Nach einem ruhigen Flug waren wir dann um 5:00 Uhr nach ewig andauernden Passkontrollen am Flughafen endlich in Jerusalem angekommen. Doch natürlich war noch keiner von uns müde und erstmal mussten wir uns noch die Altstadt bei Nacht anschauen. Die ersten Muslime kamen schon von ihrem Morgengebet zurück, während wir durch die kleinen Irrgassen mit tausenden Metallverschlägen (hinter denen sich überall kleine Läden verstecken, wie wir im Laufe des Tages dann erkannten) streunten. Um kurz nach 6:00 Uhr waren wir dann endlich alle im Bett und konnten die laue Nacht wenigstens noch kurz genießen.
Felsendom am Fuße des Ölbergs
Der erste Tag
Morgens um halb Zehn schellte schon wieder der Wecker, denn wir waren kurz darauf schon mit dem Rektor des Österreichischen Hospizes verabredet, in dem wir ab jetzt täglich eine warme Mahlzeit bekommen. Dort lernten wir andere Freiwillige kennen, mit denen man sofort ins Gespräch kam und die allesamt sehr nett waren. Danach wurden wir der gesamten Hausmannschaft vom Facility Manager bis zum Bischof vorgestellt. Natürlich wurden auch schon wieder Probleme mit dem Visum bekannt, denn am Flughafen wurde unser - vom Innenministerium auf 3 Monate genehmigtes - Visum auf nur noch einen Monat Gültigkeit "heruntergestempelt". Nach einem kleinen Rundgang durch die wunderschöne Altstadt hatten wir noch etwas Zeit, uns einzurichten.
Kreuzgang der Erlöserkirche
Als krönenden Abschluss gingen wir zum Café Auguste Victoria zu einem gemeinsamen Essen vieler Volontäre. Nach einigem Feilschen mit den Taxifahrern um den Fahrpreis kamen wir letztlich um 5 Schekel, also etwas mehr wie einen Euro, zum Ölberg, auf dem das Café liegt. Als dort angekommen plötzlich Kanonenschüsse erklangen, wurde uns erklärt, dass das kein Grund zur Sorge sei, sondern nur zum Ramadan (=muslimische Fastenzeit) gehöre: Während dem Ramadan dürfen gläubige Muslime tagsüber nichts zu sich nehmen, kein Essen, kein Trinken, nicht rauchen und so weiter. Der Kanonenschuss bedeutet, dass der Tag vorbei ist und alle wieder essen und trinken können was sie wollen, eben bis zum nächsten Sonnenaufgang. Zum Ende wurde dann bekannt, dass auch eine Kooperationsgruppe Schauspieler vom Theater in Tel Aviv und vom Theater in Heidelberg auf dem Weg zu uns war, die gerade bei Nachforschungen für ein Theaterstück sind, das sich speziell mit Volontären im Heiligen Land - sowohl auf israelischer Seite, als auch auf palästinensischer - beschäftigen soll, die uns dringend interviewen wollten. Um kurz vor Zwölf kamen wir schließlich heim und fielen tot in unsere Betten.



Freiwilligendienst bei der Erlöserkirche in Jerusalem
Ich habe dieses Jahr mein Abitur beendet und werde am 01. September meinen Freiwilligen Ökumenischen Friedensdienst in der Erlöserkirche in der Altstadt von Jerusalem antreten und dort bis Ende August 2011 Volontärdienste mit vorwiegend technischem Schwerpunkt betreuen. Zu meinen Aufgabengebieten werden unter anderem Rezeptionsdienste und Hausmeistertätigkeiten, aber auch Andachten, Kindergottesdienste und die Öffentlichkeitsarbeit der Erlöserkirche gehören. Auch werde ich im Café Auguste Victoria mitarbeiten, einem kleinen Café, das vor einigen Jahren von mitausreisenden Ehefrauen, deren Männer in Israel Arbeit fanden, eröffnet wurde und dessen Erlös sozialen Projekten zugute kommt.
Situation in Israel
Immer wieder hört man in der Presse vom Nahost-Konflikt auf dem heutigen Staatsgebiet von Israel. Als seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert weltweit Juden mit Massenvertreibung und Pogromwellen aus ihrer ursprünglichen Heimat vertrieben wurden, sehnten sie sich nach einem Staat, in dem alle Juden zusammenwohnen können und Frieden herrscht. So siedelten sich viele in Palästina an und riefen dort auch 1948 Israel als eigenständigen Staat aus, woraus der erste Nahost-Krieg resultierte, als am Tag nach der Staatsgründung Israels alle umliegenden Länder Israel den Krieg erklärten. Dieser Konflikt dauert bis heute an, allerdings hat sich viel verändert: Das ehemalige Palästina gehört inzwischen größtenteils zum Staat Israel oder ist von der israelischen Armee besetzt. Ein neutraler Umgang miteinander ist bei diesem Hintergrund nicht denkbar: Palästinensische Einwohner müssen stundenlang in der prallen Sonne an Grenzübergängen auf Durchlass warten und haben - gerade in ländlichen Gebieten - eine schlechte Trinkwasserversorgung, um nur zwei Beispiele anzuführen.
Aufgabengebiet
Die Erlöserkirche versucht, genau hier anzusetzen: Sie bietet Gemeindeabende und andere Aktionen an, bei denen jegliche religiösen Gruppen und Völker, die in Israel aufeinandertreffen, eingeladen sind. Es wird versucht, die beiden Völker zur Kommunikation miteinander zu bewegen, auf dass sich irgendwann beide Nationen auf Augenhöhe gegenüberstehen. Gerade dieser Ansatzpunkt hat mich beeindruckt und neugierig gemacht, weshalb ich nun ein Jahr lang in die Ferne gehe, um für mehr Frieden zu werben.
Ich freue mich schon riesig auf das Jahr und hoffe, dort viel zu erleben und viele neue Kulturen kennenzulernen!
Unterstützerkreis
Es ist üblich, dass Volontäre der Evangelischen Kirche in Baden für ihre Auslandsjahre einen Unterstützerkreis aufbauen, um die Kosten, die für das Jahr anfallen, teilweise zu decken. Der Unterstützerkreis wird im Gegenzug über aktuelle Arbeiten und Projekte „seines“ Freiwilligen informiert.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bisherigen und zukünftigen Unterstützern herzlich bedanken! Ohne Sie wäre ein derartiger Freiwilligendienst in dieser Form nie umsetzbar! Vielen Dank!