Freitag, 14. Januar 2011
Advents- und Weihnachtszeit in der Ferne
Das erste Mal feierte ich dieses Jahr Weihnachten allein – und es war gar nicht so schlimm :-)
Auch wenn die Adventszeit hier wenig besinnlich war, denn hier gibt es nicht - wie in Deutschland üblich – seit Oktober die Weihnachtsmusikbeschallung und an jeder Straßenecke Schoko-Nikoläuse zu kaufen. Die Nikoläuse stehen hier zwar beim muslimischen Händler am Damaskus Gate ganzjährig neben den Osterhasen auf dem Tisch mitten auf dem Bürgersteig, aber die Weihnachtsmusik und die tolle Stimmung auf den Weihnachtsmärkten fehlt eben doch… Lustig mit anzuschauen waren dabei die 2-3 Läden, deren Metallverschläge vor den Schaufenstern noch nie geöffnet waren, seit ich hier bin, die aber jetzt zur Weihnachtszeit auf einmal mit vielen blinkenden Lichtern und ganz viel kitschigem Weihnachtsschmuck für die Touristenmassen öffneten.
Einige kleinere Aktionen gab es doch, die ein bisschen etwas von Weihnachtsstimmung vermittelt haben: So fanden in der Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg wöchentlich in der Adventszeit Adventsandachten statt, die alle sehr schön gestaltet waren und mit den bekannten Weihnachtsliedern einige Heimatgefühle geweckt haben. Eine davon habe dann letztlich auch ich übernommen. Dann kam das Weihnachtskonzert mit anschließendem Glühweintrinken in der Erlöserkirche mit israelischem Chor, es war wirklich toll und beeindruckend. Auch in der Adventszeit fand ein „Adventsabend“ – zuerst mit der Gemeinde und später mit den Volontären statt. Kurz vor Weihnachten besuchte ich noch eine „Rorate“-Messe der Benediktiner in der Dormitio Abtei, die mit viel Besinnlichkeit und liturgischen Gesängen dann auch mich wirklich in der Weihnachtszeit ankommen ließ.

Doch nicht viel später war es auch schon wieder vorbei mit der Besinnlichkeit: Heiligabend stand vor der Tür und damit kam viel Arbeit auf uns zu.
Anfang der Woche bin ich mit ein paar unserer Mitarbeiter zum Weihnachtsbäume holen ca. eine Stunde in den Süden gefahren – um dann festzustellen, dass es dieses Jahr wirklich keinen einzigen schönen Baum zum Holzen gab. Aber es war schon lustig: Die Anlage glich einer Baumschule, bei der man am Anfang bezahlte, einen Israeli mit einer Kettensäge zur Seite gestellt bekam, mit dem man dann durch die Reihen gelaufen ist, auf die Bäume, die man wollte gezeigt hat. Diese wurden dann abgeholzt, man hat sie auf den Laster geworfen und ist wieder heimgefahren. Das war mal ein etwas anderer Arbeitstag! ;-)
Die Woche verlief dann sehr ruhig, alles wurde noch einmal durchgesprochen, bis der große Tag dann kam: Ab mittags musste die Rezeption besetzt werden, denn die arabische Gemeinde, die auch in unserer Kirche Gottesdienste feiert, hatte vor uns Gottesdienst. Am frühen Abend konnten wir dann damit beginnen, die Kirche wieder aufzuräumen, heruntergebrannte Kerzen auszutauschen, den Glühwein vorzubereiten und dem Gästehaus bei der Vorbereitung des Buffets für das Gemeindeessen zu helfen. Um acht fing dann das Essen an, es war wirklich lecker und es gab von allem reichlich.

Für uns Volontäre musste es etwas zügiger gehen, denn wir wollten schnellstmöglich alles sauber bekommen, um nachts dann auch wirklich mit nach Bethlehem wandern zu können. Unser Plan ging auf und – während andere Helfer am Eingang versuchten, die Menschenmassen abzuhalten und nur diejenigen mit Tickets durchzulassen – waren wir exakt zu Beginn des Christnachtgottesdienstes fertig mit dem Spülen vom Gemeindeessen. Nun hieß es „Auf zum nächsten Programmpunkt!“, denn mit vielen anderen Helfern waren auch Ronja und ich dafür zuständig, in der Kirche alle Kerzen zu entzünden, um die Kirche in gemütliche, weihnachtliche Atmosphäre im Kerzenlicht zu tauchen. Alles ging gut, doch viel hatte ich leider nicht vom Gottesdienst – schon zu Beginn der Predigt musste ich wieder hinauseilen, um den Glühwein für den späteren Ausschank vorzubereiten. Doch alles klappte super und nachdem der Glühwein fast leer war, wurden wir zur Wanderung nach Bethlehem entlassen, worauf wir uns schon den ganzen Abend freuten!

Die Wanderung wird seit Jahren durchgeführt und ist wohl jedes Jahr eine große Voloattraktion – dieses Jahr waren wir rund neunzig Personen, die sich auf den Weg machten, mitten in der Nacht die knappen zehn Kilometer nach Bethlehem zu laufen – natürlich inklusive Mauer und Checkpoint. Wir kamen leider etwas zu spät los, wodurch drei andere Volontäre und ich erst nach den ersten zwei Kilometern wieder zur Gruppe stießen. Der Weg war leider, anders als ich es mir vorstellte, nicht sehr besinnlich, direkt an einer großen Straße entlang mit einem schmalen Bürgersteig, was nicht gerade die besinnliche Weihnachtsstimmung zum Ausdruck brachte. Doch als wir uns nach dem Checkpoint versammelten, um einer kurzen Andacht zu lauschen und danach weiter zur Geburtskirche liefen, war die Stimmung wieder da. Dort angekommen, sangen wir noch zwei Lieder und begaben uns nach einer kurzen Ansprache auch wieder auf den Heimweg – es war auch immerhin nach 4 Uhr nachts und wir hatten einen harten Tag hinter uns, sodass ich dann wirklich froh war, nach Hause gefahren zu werden. Um sechs Uhr morgens fiel ich dann völlig erschöpft, aber zufrieden, ins Bett.

Den Ersten Weihnachtsfeiertag verbrachte ich im Bett und holte den verpassten Schlaf wieder auf, um am Zweiten Feiertag dann endlich ausgeschlafen und wieder voll einsatzfähig auch einen kompletten Weihnachtsgottesdienst mitzubekommen. Später am Tag fand in der Himmelfahrtkirche ein großes "Christmas Carols Singen" statt, bei dem sich viele Deutsche, aber auch Israelis, Palästinenser und andere Nationalitäten einfanden, um zusammen deutsche wie internationale Weihnachtslieder zu singen und einen schönen Abend zusammen zu haben.

Abends hatten wir umliegende Volontäre zu einem großen Essen eingeladen, da beim Gemeindeessen so viel übrig blieb. So kamen noch einmal um die zwanzig Volontäre zusammen, die freudig noch bis nachts bei uns Aßen und Feierten – ein wirklich toller Abend und guter Ausklang der Weihnachtszeit!



Die folgenden Tage “zwischen den Jahren“ hatte ich frei – endlich wieder Ruhe, um auszuschlafen, um an anderes zu Denken und einfach die Zeit hier zu genießen.
So konnte ich endlich mal losgehen, Jerusalem richtig zu erkunden. Wie es vielleicht manche Großstädter kennen: Was man vor der Haustür hat, schaut man sich nie an, sondern geht dann lieber mal weg von dort, um andere Sachen zu sehen. Ich sah viele Sachen, für die ich mir vorher nie die Zeit nahm: Ich nahm die Dormitio-Abtei der Benediktiner in den ganz anderen Augen wahr, habe den traditionsreichen Abendmahlsaal gesehen, das für Juden wichtige Davidsgrab besucht, das legendäre Gartengrab gesehen habe es endlich mal geschafft zu einem armenischen Gottesdienst in die Jakobuskathedrale zu gehen … Wirklich toll, wenn man in einem bekannten Umfeld noch so viel neues entdeckt – und auch mitnimmt: ich habe mir vorgenommen, öfter mal die Gottesdienste andere Konfessionen zu besuchen, ist schon interessant, wie andere Christen für sich feiern.