Ostern einmal anders...
Wer an Ostern in Deutschland denkt, denkt an zwei oder drei Gottesdienste, vielleicht in den Vortagen noch an abendliche Passionsandachten oder – je nach Region – an ein Osterfeuer. Auch wenn das Grundgerüst übereinstimmte: Hier war alles einfach viel größer! Hunderttausende Touristen kamen in Jerusalem zusammen, um hier, an dem historischen Ort des Ostergeschehens, zusammen das wichtigste christliche Fest zu feiern!
Angefangen hat es am Palmsonntag mit einer riesigen Prozession vom Ölberg bis zur Altstadt: auf den historischen Spuren von Jesus, der auf einem Esel eben diesen Weg zurücklegte.



Es war eine gigantische Stimmung auf den Straßen, Wildfremde feierten zusammen, tanzten, lachten und sangen. Viele hatten Palmzweige mitgebracht und viele hatten Instrumente bei sich, mit denen sie den Gesang begleiteten. Italienische Priester mit offenem Hemd spielten Trommel, sangen und waren völlig losgelöst. Es war einfach ein riesiges Volksfest auf den Straßen!





Wie immer in Israel natürlich auch begleitet mit einem enormen Aufgebot an Sicherheitskräften.



Am Montag begann nun die Karwoche. In unserer Kirche fanden jeden Abend Passionsandachten statt, die ab Gründonnerstag von Gottesdiensten abgelöst wurden. An Gründonnerstag fand ein großer internationaler Gottesdienst mit den verschiedenen Gemeinden im Hause statt, es trafen sich deutsche, arabische, englischsprachige, dänische und finnische Christen zusammen, um gemeinsam an das Letzte Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern zu denken und einen Gottesdienst zu feiern. Anschließend wurde in einer großen Prozession in den Garten Gethsemane gezogen. Die Prozession konnte ich leider schon nicht mehr miterleben, da ich mich schon auf den Weg zum nächsten Gottesdienst machte: Ich war bei den Benediktinern eingeladen, die in ihrem Gottesdienst Angehörigen der verschiedenen christlichen Konfessionen die Füße wuschen, um an ebendiese Geste von Jesus, der seinen Jüngern vor dem letzten Abendmahl die Füße wusch, zu gedenken.



Als ein Vertreter der evangelischen Christen wurde ich gefragt, was ich natürlich sehr gerne annahm. Der dreistündige Gottesdienst war sehr imposant und berührend, anschließend war jeder noch eingeladen, Zeit in Stille zu verbringen, was auch vielfach genutzt wurde.



Auch der Karfreitag startete früh: Bereits um 6.30 Uhr trafen sich die evangelischen Gemeinden und liefen als Prozession zusammen die Via Dolorosa entlang, den historischen Leidensweg Christi. An jeder Station wurde Halt gemacht um den Bibeltext für Karfreitag zu lesen, auch wieder in verschiedenen Sprachen, um allen Gemeinden gerecht zu werden.



Danach lud der Bischof der arabischen Gemeinde zum gemeinsamen Frühstück ein – arabischen Erwartungen gemäß wurden Sesamringe, Hommus, Falafel und allerlei Gemüse aufgetischt. Eine weitere Stunde Schlaf konnte ich einlegen, dann stand schon der nächste Gottesdienst um halb elf in unserer Kirche auf dem Programm.
Nach dem Gottesdienst machte ich mich, gemeinsam mit einigen anderen Volontären, die ich unterwegs traf, auf, um mir die Prozession der Franziskaner anzuschauen, die jedes Jahr von mehreren tausend Menschen mitgegangen wird. Doch leider war kein Durchkommen, alle Straßen waren gesperrt, überall waren wieder Sicherheitskräfte und Menschenmassen, die das gleiche Ziel hatten wie ich. Doch auch hinter der Absperrung konnten wir sehen, wie sich die Menschenmassen durch die engen Altstadtgassen drückten, teilweise mit Holzkreuzen auf dem Rücken, singend, weinend oder betend.



Um 3 Uhr feierten wir in der Erlöserkirche noch eine Andacht zur Todesstunde Christi, die von Studierenden des Studienjahres „Studium in Israel“ vorbereitet wurde.
Danach eilte ich zur Grablegungszeremonie der Franziskaner: Die Franziskaner nehmen sehr bildlich eine Jesusfigur von einem Holzkreuz auf dem Berg Golgatha in der Grabeskirche ab, salben diese Figur auf dem Salbungsstein im Eingangsbereich und betten sie letztlich in der Grabkammer. Wirklich beeindruckend und wunderschön mit den lateinischen Gesängen im Hintergrund.



An Karsamstag war schon frühmorgens die komplette Altstadt gesperrt: Die orthodoxen Christen feierten schon einen Tag vor uns die Auferstehung Christi mit einer Zeremonie in der Grabeskirche/Auferstehungskirche, bei der sowohl der griechisch-orthodoxe, als auch der armenisch-orthodoxe Patriarch in die Aedikula, die Basilika des Heiligen Grabes, gehen, dort auf wundersame Weise Feuer vom Himmel herabkommt, durch Fenster nach außen gegeben wird und mit Kerzen durch die ganze Kirche/Stadt/das ganze Land und die ganze Welt weitergegeben wird. Kurzfristig bot sich auch mir die Möglichkeit, mit den Armeniern in die Grabeskirche einzuziehen und das Spektakel mitzuerleben. Es war verrückt: Tausende drängten sich in die riesige Kirche, in der ganzen Stadt waren Barrieren aufgebaut, um die Menschenmassen nur geregelt einzulassen und trotzdem war es in der Kirche voller als bei jedem Konzert, bei dem ich bisher war.





Nach stundenlangem Warten hatte der komplette Raum dann gefühlte Körpertemperatur, man konnte sich in keine Richtung mehr bewegen und um mich herum kippten die Menschen buchstäblich wie die Fliegen um. Bei manchen fiel dies erst einmal gar nicht auf, weil sie durch die Menschenmassen auf allen Seiten nicht fallen konnten und erst Sekunden oder Minuten später jemand anderem auffiel, dass der/die Ohnmächtige etwas verklärt schaut und nicht mehr ansprechbar ist. Die Betroffenen wurden dann über die Köpfe nach vorne hinter die Absperrungen gegeben oder von zwei kräftigen Männern gepackt und durch die Massen durchgezogen. Wasser war gegen Ende des Wartens mit Gold aufzuwiegen. Wirklich ein verrücktes Schauspiel!
Dann kam es: Das Feuer wurde herausgegeben und die Menschen waren begeistert. Jung und Alt standen zusammen, freuten sich, und feierten – soweit das auf dem engen Raum möglich war.





Am ergreifendsten fand ich dabei eine junge Frau, die kurz zuvor auch bewusstlos wurde, dann hinter die Absperrung gebracht wurde und kurz vor dem Feuer wieder aufwachte. Jemand aus der Menschenmenge gab ihr eine kleine Kerze, die sie auch am Osterfeuer entzündete und dann völlig glücklich und zufrieden in ihrer eigenen kleinen Welt, mit nur der Kerze und sich, hinter der Absperrung stand.



Der Ostersonntag war dann schon fast wieder entspannt:
Kurz nach fünf Uhr morgens fand auf dem Ölberg der Frühgottesdienst im Freien statt, bei dem auch ich mithalf. Perfekt geplant ging genau während des Abendmahls die Sonne auf.



Nach kurzem Kaffeetrinken machten wir uns bereits wieder auf den Weg in die Altstadt, um in der Propstei das Osterfrühstück für die Gemeinde vorzubereiten.



Als krönenden Abschluss der Karwoche feierten wir im Anschluss an das Frühstück gemeinsam den Ostersonntagsgottesdienst.
Um noch einmal durchzuatmen und das erlebte ein bisschen zu verarbeiten, machten wir uns im Rahmen des Volontärsprogramms mit den Franziskanern auf den Weg nach Emmaus (Qubeibe, es gibt drei verschiedene Orte, die von sich behaupten das biblische Emmaus zu sein…).



Ein toller Tag, der mit einem wunderschönen, ruhigen Gottesdienst abgeschlossen wurde, bei dem jeder genug Platz hatte für sich! Welch Wohltat!



Diese Woche war die geballteste und beeindruckendste, die ich jemals erlebt habe. So viele Menschen auf so engem Raum, so viele Eindrücke und solch eine Vielfalt habe ich bei weitem noch nie erlebt! Und auch wenn ich in der Woche viel zu wenig Schlaf fand, war es einfach wunderschön!