Donnerstag, 4. November 2010
Viel zu schnell geht die Zeit vorbei…
Gerade bin ich noch frisch angekommen und schon steh ich fest im Alltag. Ein „ganz normaler Tag“ ist aus den vielen Eindrücken und Erfahrungen auf den Straßen geworden. Es ist inzwischen völlig normal, dass man auf den Straßen fast nichts versteht und von jedem Ladenbesitzer die Waren angeboten bekommt. Die alten Gebäude und historischen Stätten sind inzwischen schon zum normalen Erscheinungsbild geworden und die Touristenmassen, die sich zur Zeit hier tummeln sind einfach nur noch nervig. Echt interessant wie schnell das geht – vor nicht mal zwei Monaten noch völlig überrumpelt, schon gehört es zur Normalität… Und doch: Das „gewisse Etwas“ bleibt. Ich genieße jeden Tag hier, genieße es, völlig sorgenfrei durch die Altstadt zu laufen und mich mit anderen Volontären über die Pilgergruppen lustig zu machen, die Holzkreuze die Via Dolorosa hoch schleppen, um den Leidensweg von Jesus nachzufühlen.

Ich genieße es, hier zu sein und jeden Tag neue Leute kennenzulernen. Natürlich nicht zuletzt durch die tollen Freunde und Mitvolontäre und die abwechslungsreiche Arbeit – die aber manchmal auch ganz schön anstrengend und nervig sein kann ;-)
Ein Ausbruch vom Alltag ist es immer wieder, wenn eine der Volontärsaktionen stattfindet, so haben wir schon letzten Freitag zum Beispiel auf dem Ölberg Oliven geerntet. Talitha Kumi, eine Schule nahe Betlehem hat eingeladen, die hunderte Jahre alten Olivenbäume zu ernten. Wir hatten sehr viel Spaß dabei und man hat viele neue Leute kennengelernt.

Nicht nur Volontäre, sondern auch ein paar Familien und ältere Urlauber haben den Weg zu uns gefunden, was viele lustige, aber auch interessante Gespräche hervorbrachte. Manche der älteren Damen waren schon x-Mal hier und haben seit der 1. Intifada immer wieder freiwillig Projekte unterstützt. War wirklich sehr interessant, was sie zu erzählen hatten. Leider konnte ich nur bis mittags bleiben, da ich ja eigentlich einen Arbeitstag im Café hatte. Zum Glück wurde ich für den Vormittag freigestellt, sonst wäre es mir gar nicht möglich gewesen dabei zu sein. Wir hatten an dem Tag auf jeden Fall unseren Spaß und haben auch einiges gearbeitet. Um die 600kg Oliven kamen zusammen – doch eine ganz schöne Menge!

Am Sonntag war nun Reformationstag, an dem wir auch voll eingespannt waren: Vormittags fand ein gewöhnlicher Sonntagsgottesdienst statt und nachmittags folgte ein internationaler Gottesdienst, bei dem alle Gemeinden, die hier in der Erlöserkirche Gottesdienste feiern, zusammen kamen, um gemeinsam einen vielsprachigen Gottesdienst zu feiern. Ein ziemlicher Unterschied zum Reformationstag in Deutschland war in erster Linie das Ausmaß: Während in Deutschland – zumindest so wie ich es kenne – ein relativ normaler Gottesdienst gefeiert wird, wurde hier ein riesiger Festakt darum gemacht. In einer Prozession wurde in die Kirche eingezogen, der Gottesdienst wurde teilweise parallel in arabisch, englisch und deutsch gehalten, danach wurde wieder feierlich aus der Kirche ausgezogen und danach war noch ein großer Empfang mit mehr als 250 Personen in der Propstei. Untermalt war alles noch mit einem Kinderchor.

Zwei arabische Mitarbeiter, wir beiden Volontäre hier und noch drei weitere Volontäre waren dabei den ganzen Tag voll eingespannt: Der Morgen verlief zwar ziemlich normal, aber danach ging es los, das Kreuz der Prozession voranzutragen, Häppchen zu verteilen, Getränke auszuschenken und natürlich auch alles wieder sauber zu machen. So hatten wir einen vollen und stressigen Arbeitstag, den wir dann aber bei einer „Abwaschdisco“ in der Küche mit lauter Technomusik und den Resten an Wein ausklingen ließen. Der Tag war im Nachhinein wirklich schön und zufriedenstellend, auch wenn es zwischendurch immer mal wieder ziemlich stressig war und wir den Montag als Ruhetag bitter nötig hatten.