Ein ungeplantes Wochenende
Das erste Wochenende an dem Nichts anstand. Ich wollte dringend mal wieder raus in die Natur, so schön Jerusalem mit all seinen verwinkelten Gassen und seinen alten Bauwerken ist, von Mutter Natur ist hier leider nichts zu sehen. So zog ich los und legte mir erstmal einen Schlafsack, eine Isomatte, eine Taschenlampe und einen Kompass zu; eben alles, was man für ein paar Tage im Freien braucht. Natürlich in der Hoffnung, alles noch öfter nutzen zu können.
Eigentlich war ein Trip mit mehreren Volontären geplant, aber am Samstag fiel dann allen ein, dass sie ja doch alle etwas anderes vorhatten. Ich wollt unbedingt raus und so zog ich eben alleine los. Ich hatte mir überlegt, erst nach Ein Gedi an das Tote Meer zu fahren, dort das erste Mal in meinem Leben im Toten Meer schwimmen zu gehen und anschließend irgendwie nach Massada weiterzukommen. Das alles schien schon fast zu scheitern, als ich den Bus nach Ein Gedi knapp verpasste. Doch zum Glück war das nicht der letzte und so konnte ich nach zwei Stunden Wartezeit doch noch los. Während ich dort wartete, traf ich einen lustigen, farbigen Israeli, der kein Wort Englisch oder Deutsch konnte und sich trotzdem unbedingt mit mir unterhalten wollte. Er versuchte, mich zu überreden, mit nach Tel Aviv zu kommen, aber meine Pläne gingen ja doch in eine andere Richtung.

Um fünf Uhr Abends war ich dann letztlich in Ein Gedi und freute mich erstmal riesig auf das Wasser! Jetzt erst fiel mir auf, dass ich völlig vergessen hatte, Badesachen einzupacken, aber das Wasser war so anziehend, dass ich mich trotzdem - nur eben mit Boxershorts - ins warme Nass stürzte. Es ist wirklich lustig, wenn man das erste Mal im Toten Meer ist, man kann überhaupt nicht schwimmen und man muss sich wirklich anstrengen, wenn man mal senkrecht im Wasser sein will. Wirklich etwas für Nichtschwimmer und faule Leute ;-)

Trotzdem genoss ich es total, nach dem langen Warten und der langen Busfahrt endlich im Wasser sein zu können, besonders bei der tollen Aussicht: Im Westen die Berge von Jordanien, im Norden und Süden das Tote Meer, von Bergen und Wüste eingeschlossen und im Osten lediglich eine riesige Felswüste mit riesigen Bergen. Einfach toll, diese Landschaft: so karg und doch so schön!
Während dem Schwimmen kam ich mit einer deutschen Familie ins Gespräch, die sich dafür interessierten, was ich hier mache, so ganz allein und voller Tatendrang. Als sie hörten, dass ich noch nicht genau wusste, wie ich nach Massada kommen soll, boten sie mir sofort an, mich mitzunehmen, sie hätten sowieso noch einen Platz im Auto frei. Also fuhr ich mit ihnen nach Massada. Sie fanden es total gut, dass ich einen Freiwilligendienst hier im Heiligen Land mache und versprachen auch, mich in Jerusalem mal besuchen zu kommen. Mal schauen, was daraus wird!

Von Massade wird immer wieder berichtet: Bis vor einigen Jahren wurden hier die israelischen Soldaten vereidigt, denn seit sich jüdische Aufständische im dritten Jahrhundert n.C. unter der Belagerung von Römern restlos gegenseitig umbrachten, um nicht in die Hände der Römer zu fallen und versklavt zu werden, ist die Felsenfestung auf Massada ein Symbol von jüdischer Stärke und Widerstandskraft.
So war ich also abends um Sieben in Massada und wusste nicht so recht, was ich mit der Zeit noch anfangen sollte. Ich ging Richtung Nationalpark, mit der Hoffnung, wenigstens noch einen Blick auf den Weg, den ich frühmorgens am nächsten Tag erklimmen wollte, werfen zu können. Der Park war allerdings schon geschlossen und der Wachmann verbat mir auch gleich, als er mich mit meinem Schlafsack auf dem Rücken sah, in der Wüste zu schlafen. Es war auch schon stockdunkel, sodass ich den Weg nicht mal erahnen konnte. Doch wie man mich kennt, legte ich mich gerade mal 500 Meter weiter in einen kleinen Flusslauf, von der Straße natürlich nicht zu sehen und schlug mein Lager auf.

So genoss ich die Aussicht auf Jordanien und die Stille der Wüste um mich herum. Ich ging früh schlafen, um am nächsten Tag fit zu sein. Außerdem konnte man sowieso nichts mehr machen, weil es schon stockdunkel war und ich mich durch jegliches Licht sofort verraten hätte. Der Wecker stand auf Vier Uhr morgens, gehört habe ich ihn erst um fünf. Nach einer harten und steinigen Nacht machte ich mich also an den Aufstieg. Auf dem Weg frühstückte ich kurz: Ein Apfel und 1,5 Liter Wasser, für mehr war keine Zeit. Um viertel nach sechs war ich oben, doch zu spät: Die Sonne war bereits aufgegangen und es war schon brütend warm. Bis ich oben war, hatte es gefühlte 30° C und ich war völlig durchgeschwitzt.

In dieser „Kühle“ machte ich mich schnell daran, das Bergplateau zu erkunden. Es sind wirklich erstaunliche Ausmaße dort oben: Ruinen von prächtigen Badehäusern und Palästen, teilweise aus dem dritten Jahrhundert n.C. stammend, zeugten von einem großen Reichtum und warfen natürlich die Frage auf, wie damals alles auf den Berg gebracht wurde, wenn es heute schon Touristen aus der Puste bringt, sich nur selbst dort hoch zu schleppen... Besonders beeindruckend waren die erhaltenen Mosaikfußböden, Wandmalereien und auch das ausgeklügelte Wassersystem.

Das Schmelzwasser im Tal wurde aufgefangen, von Lasttieren die 300 Höhenmeter nach oben transportiert und dort in großen Zisternen aufbewahrt. Einfach unglaublich, dass so viel Wasser nach oben transportiert werden konnte, um Bäder zu betreiben. Nach einem etwas ausführlicheren zweiten Frühstück ging es dann wieder an den Abstieg, denn was einmal funktioniert, geht auch noch ein zweites Mal!

Unten angekommen, wurde die Frage immer größer, was man an einem solchen angebrochenen Tag noch machen könnte, es war ja schließlich erst halb zehn morgens. Einen Reiseführer hatte ich natürlich nicht dabei und so fiel meine Wahl auf Be’er Sheva, der Karte nach eine recht große Stadt, da muss es ja eigentlich etwas für Touristen geben! Es stellte sich heraus, dass der Bus erst in drei Stunden fahren sollte, was ich nutzte um auf einem Picknickplatz für die Busfahrer noch eine Runde zu schlafen, Mittag zu essen und um noch ein bisschen die Landschaft zu genießen. Als ich dann endlich im Bus saß, schlief ich fast direkt wieder ein und wachte erst kurz vor der Endstation wieder auf. So stieg ich aus und suchte nach einer Touristinfo, doch da war ich hier absolut falsch: Die Schilder alle nur auf hebräisch (in Touristenstädten meist zwei- oder dreisprachig). So ging ich erstmal in eine Einkaufsmall, einen Geldautomaten suchen und fragte den netten Wachmann, ob es hier etwas für Touristen zu sehen gäbe, der schaute mich an, fing lauthals an zu lachen und erklärte mir dann, dass ich der erste sei, der ihn jemals so etwas gefragt hätte und das es hier absolut nichts zu sehen gäbe. Lediglich eine israelische Großstadt.

Enttäuscht rief ich noch eine andere Volontärin an, die für mich kurz im Internet nachschaute, mir dann aber auch die ernüchternde Antwort geben musste, dass die mehr als zwei Stunden Busfahrt umsonst waren. Wenigstens war ich jetzt ausgeschlafen! Also lief ich noch etwas planlos umher, um dann den nächsten Bus heim zu nehmen. Hierher werde ich mich so schnell nicht mehr verirren.