Donnerstag, 9. September 2010
Tolle Arbeit + Viel Erholung = Geniale Zeit
Am Sonntag war der erste Tag, an dem ich wirklich in der Kirche mitgeholfen habe, sozusagen mein erster „richtiger“ Arbeitstag. Weder Ronja (meine Mitvolontärin hier in der Erlöserkiche) noch ich wussten, wann der Tag eigentlich für uns beginnen sollte, also schaute ich kurz vor dem Schlafengehen noch mal kurz in unser Übergabeprotokoll, eine Art Leitfaden für neue Volontäre. Dort stand, dass ab halb neun einer von uns die Rezeption besetzen solle. Ich tat wie mir geheißen, doch da saß schon jemand: Die Tochter von einem unserer Facility Manager übernimmt dies wohl in der vorlesungsfreien Zeit - gut zu wissen! Jetzt war ich also auch noch eine Stunde zu früh aufgestanden, was aber nicht weiter schlimm war, weil ich so ein paar Leute aus der englischsprachigen Gemeinde, die genauso wie die deutsche und arabische Gemeinde hier Sonntags ihren Gottesdienst feiert, kennenlernte. Kurz darauf kamen auch schon die ersten Volontäre an, denn an dem Gottesdienst heute sollten alle Volontäre, die irgendwie mit der „Stiftungen der Evangelischen Kirche Deutschland im Heiligen Land“ in Verbindung standen, für ihre Arbeit gesegnet werden. So lernte man wieder viele neue Volontäre kennen. Wir feierten gemeinsam einen schönen Gottesdienst und trafen uns danach noch bei Kaffee und Tee, wobei man sich etwas näher kennenlernte. Auch die Mitarbeiter des Theaterprojekts, die uns bereits am Mittwoch interviewt hatten, waren wieder dabei, wodurch wir auch noch einmal die Möglichkeit hatten, in Erfahrung zu bringen, für was sie uns überhaupt ausfragten und um etwas mehr über das Projekt zu erfahren. Als letztlich alle wieder gegangen waren und wieder alles in den Ausgangszustand versetzt war, waren wir zum Mittagsessen bei unserem Pfarrvikar eingeladen.
Zum Abendessen waren wir wieder beim Österreichischen Hospiz geladen, auf dem Weg dorthin wurden wir das erste Mal Zeuge von einer etwas unruhigen Situation: Israelische Soldaten hatten eine Straße gesperrt, scheinbar völlig willkürlich wählten sie Leute aus, die hindurch durften und andere die weitergeschickt wurden. Es wurde beiderseits geschrien, gebrüllt und geschoben, aber alles verlief einigermaßen friedlich, soweit wir das mitbekamen.
Abends kam eine Gruppe Theologiestudenten/innen zu Besuch, die hier im Heiligen Land eine Art Auslandsjahr absolvieren und wir gingen gemeinsam auf den Turm. Von oben war zu sehen, was wir schon den ganzen Tag beobachtet haben: Gefühlte tausende Muslime pilgerten zum Tempelberg, um dort einen wichtigen Feiertag zu feiern (ein lustiges Bild: auf der Reise zum Tempelberg waren alle über und über mit Essen beladen, manche hatten Kissen dabei usw.). Von oben sah es eher aus wie ein riesiges Mosaik, in dem sich alle Steinchen auf dem Tempelberg bewegten. Einfach der Wahnsinn, selbst der Platz um den Felsendom herum war völlig überfüllt mit Leuten, wie sah es da wohl im Felsendom selbst aus?

Nach den Studenten/innen kamen noch einmal die Leute vom Theaterprojekt, die nochmal einen Tee mit uns tranken und sich von uns verabschiedeten, da sie am Montag größtenteils fliegen würden. Letztlich gab es dann noch ein kleines Problem mit zwei israelischen vom Theaterteam, die eigentlich in Jerusalem schlafen wollten, aber noch keine Schlafmöglichkeit hatten. Sie an einem solchen muslimischen Feiertag allein in der Innenstadt wäre natürlich nicht besonders freundlich gewesen, deshalb wurde dann noch ein Schlafplatz in der Nähe organisiert, den sie dann allerdings gar nicht brauchten, da sie doch noch nach Tel Aviv heimfuhren. Auch Florin und ich waren noch nicht so müde, dass wir ins Bett wollten und so schlossen wir uns Volontären aus dem Österreichischen Hospiz an, die gerade auf dem Heimweg waren und tranken dort mit ihnen und den Theaterleuten, die dort heute Nacht auch schliefen noch ein Feierabendbier und betrachteten die angespannte Situation zwischen israelischen Soldaten und den palästinensischen Muslimen. Um kurz vor drei kamen wir schließlich heim und hatten schon wieder großes vor: Morgen sollte es zum Meer nach Tel Aviv gehen.
Nach einer etwas kürzeren Nacht beeilten wir uns Montagmorgen, schnell zum Money Changer und anschließend zum Großraumtaxi nach Tel Aviv zu kommen. Nach einer etwas chaotischen und langwierigen Fahrt kamen wir endlich an der Central Bus Station an, wo dann auch das Taxi wartete. Wir fuhren nach Tel Aviv, um uns am dortigen Busbahnhof erstmal ziemlich zu verlaufen. Irgendwie schafften wir es, dann doch den richtigen Bus zum Strand zu finden und genossen den Tag bei strahlender Sonne am Meer.

Das Wasser war genau so warm wie die Luft, leider keine wirkliche Abkühlung. Die Umgebung war leider etwas enttäuschend: Auch wenn der Blick aufs Meer traumhaft schön ist, ist die Strandpromenade von Tel Aviv nicht so schön wie erwartet: Nur Betonklötze und heruntergekommene Häuser - etwas schade! Florin hatte vorher mit einem Israeli, den er aus einem Schüleraustauschprogramm schon kannte, ausgemacht, sich dort zu treffen. Es war wirklich interessant, mit ihm über die momentanen Ereignisse zu reden und seine Meinung zu politischen Dingen zu hören, die erstaunlicherweise wirklich kritisch und friedlich war, was aufgrund diverser Presseartikel leider nicht selbstverständlich ist… Nach viel hin und her kamen wir auch wieder irgendwie Heim (er bot uns an uns zu fahren und wir kamen genau in die Rush-Hour und schließlich verliefen wir uns erneut im Busbahnhof) und ließen den Abend dann gemütlich ausklingen. Es war ein toller Tag in einer ganz anderen Welt: Während in Jerusalems Altstadt alle nur bedeckt und mit langen Hosen und Schleiern herumlaufen, war es in Tel Aviv völlig gelöst: Frauen mit Miniröcken, in Bikinis, Männer mit Badeshorts und Oberkörperfrei mitten in der Innenstadt - echt der Hammer, was die paar Kilometer ausmachen!



Eindrücke aus den Straßen Jerusalems
Schon am ersten Tag fiel es auf: Man hat das Gefühl, dass hier jeder - anders als bei uns in Deutschland - einer bestimmten Religion angehört, sich auch offen zu dieser bekennt und auch strikt alle Regeln einhält - so handelt man sich zum Beispiel schon mal einen nicht ganz freundlichen Blick von Muslimen ein, wenn man während dem Ramadan mit einer Falafel, sozusagen der Nationalspeise in Israel, über die Einkaufsstraße läuft.
Auch das öffentliche Bekennen hier ganz anders: Jede Religion hat einige Kleidungsmerkmale, sodass meist schon von weitem erkennbar ist, welcher Religion jemand angehört. Wer trägt bei uns zum Beispiel noch Kreuze als Halsketten? Ich würde behaupten nicht mal 1% aller Getauften. Hier ist das anders: Jeder hat ein religiöses Merkmal irgendwo, vom kleinen Goldkettchen mit einem Kreuz um den Hals bis zur koptisch-orthodoxen Kutte mit großem Umhängekreuz, von den Juden mit Kippa (kleine Gebetskäppchen) bis zu den ultraorthodoxen Juden mit komplett schwarzen Anzügen und schwarzen Hüten, meist kommt dazu noch ein schwarzer Mantel (bei ca. 30° C im Schatten!). Die vielen verschleierten Frauen mal ganz außen vor zu lassen. Man sieht auch oft Muslime mit ihren Gebetsteppichen durch die Straßen ziehen. Fünf mal am Tag schallen von allen Seiten verschiedene Stimmen von Muezzin (=Gebetsrufern) auf Minaretten, die gläubige Muslime zum Gebet ruft, was sich in europäischen Ohren eher nach einem verrückten Singsang anhört.

Man erlebt hier sehr viel und die Religionen werden sehr offen ausgelebt. Auffällig ist leider nur, dass die Gruppen sich selten bis nie untereinander mischen. So gibt es in der Altstadt ein Viertel für die Armenier, ein klar bestimmtes arabisches Viertel der Muslime, ein jüdisches Viertel und ein christliches Viertel. Außerhalb der Altstadt ist es genauso: Es gibt arabische Gebiete, wie zum Beispiel auf dem Ölberg, während direkt auf der anderen Straßenseite das israelische Gebiet beginnt, auf dem das Universitätsgelände untergebracht ist. Große Teile der Stadt sind komplett israelisch besiedelt und dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung vom Staat Israel von Muslimen nicht einmal betreten werden.
Straßenseiten machen hier wirklich Welten aus: Normalerweise ist auf israelischem Boden die Deutsche Botschaft in Tel Aviv zuständig, nun wollte ich mich heute in eine Liste eintragen und ich schaute zur Sicherheit noch einmal nach, wo die zuständige Botschaft ist, und da die Erlöserkirche in Ost-Jerusalem ist, musste ich mich bei der Botschaft in Ramallah einschreiben. Nur ein paar Straßen weiter und wir hätten zur Botschaft in Tel-Aviv gehört.
So bin ich momentan wirklich noch völlig überwältigt von den schönen Gebäuden der Altstadt, den viele verschiedenen, interessanten Menschen auf den Straßen, meiner Volontärstelle, den vielen tollen Leuten die man kennenlernt und so weiter, man kann es gar nicht in Worte fassen, es ist einfach etwas ganz eigenes hier und einfach nur umwerfend!



Mein erster Arbeitstag
Donnerstagmorgen gingen wir erstmal mit unserer Verwaltungsleiterin Fr. Werth frühstücken, um die Aufgaben der Volontäre und die „Do’s und Dont’s“, wie es neudeutsch so schön heißt, zu besprechen. Den Rest des Tages bekamen wir dankenswerter Weise nochmal frei, was wir für eine Entdeckungstour durch die Altstadt nutzten.

Am Freitagmorgen sollte es nun also losgehen: Mein erster Arbeitstag im Café Auguste Victoria. Ich kämpfte mich durch die völlig verstopften Straßen (da Ramadan für die Muslime und Sabbath für die Juden war, war die ganze Stadt auf den Beinen) zum Damaskus Gate durch, um von dort aus dann mit einem Bus zur Auguste-Victoria-Stiftung auf den Ölberg zu fahren. Dort angekommen zeigte mir Nele, die Volontärin, die sich um alles rund um das Café kümmert, erst einmal alles, was ich irgendwie brauchen könnte. Freitags ist wohl immer der ruhigste Tag für das Café, hab ich ja mal wieder gut hinbekommen, ich werde dort nämlich nun jeden Freitag arbeiten.  Mittags kamen noch Constanze und Florin, zwei andere Volontäre, die auf dem Ölberg beschäftigt sind, um uns dabei zu helfen, Sandwiches für eine größere Reisegruppe, die sich angekündigt hatte, vorzubereiten. Außer der Reisegruppe war wirklich nicht viel los, ungefähr 10 andere Gäste kamen für Kaffee, Sandwiches und Kuchen.

Das war aber nicht weiter tragisch, da ich dadurch viel mehr Zeit hatte, mit Nele über die Hintergründe des Cafés zu reden. Das Café unterstützt mit seinen Einnahmen viele soziale Projekte, so wird Kindern aus armen palästinensischen Familien das Schulgeld für eine gute Bildung gezahlt. (Die staatlichen Schulen sind hier wohl sehr schlecht, dass wirklich nur die, die absolut keine andere Möglichkeit haben, diese besuchen. Viele Schulen sind auch vom Ausland finanziert, so gibt es französische, deutsche und englische Schulen und natürlich auch von religiösen, vor allem christlichen, Einrichtungen. Dies sind nur zwei Beispiele für die Vielseitigkeit der Projekte, die unterstützt werden, es gibt noch viele weitere.) Ein Teil der Einnahmen fließt zu dem Sozialfond der Stiftung der EKD im Heiligen Land, die damit wiederum bedürftigen Menschen hilft. Auch wurden aus den Einnahmen Katzen, die hier ein echtes Problem sind, da sie zu tausenden durch die Straßen streunen und sich uneingeschränkt fortpflanzen und so auch aus öffentlichen Mülltonnen leben und Krankheiten verbreiten, sterilisiert.
Zum Ende meiner Arbeitszeit kam Florin noch einmal vorbei und fuhr mit mir zurück in die Stadt. Wir kämpften uns durch das Damaskus Gate, das völlig überfüllt war und die komplett mit Menschenmassen verstopfte Altstadt. Freitags ist dies wohl immer so, da das der „muslimische Sonntag“ ist, an dem alle zum Gebet und vom Gebet kommen. Dadurch war auch die israelische Armee und Polizei in der ganzen Stadt sichtbar und Wasserwerfer standen bereit. Für die Altstadt wurde vom Auswärtigen Amt eine Warnung vor Unruhen ausgegeben, aber alles blieb - zumindest soweit ich mitbekommen habe - ruhig.

Ich musste direkt weiter zur täglichen warmen Mahlzeit bei dem Österreichischen Hospiz. Danach kam Florin noch mit zu uns, wir tranken auf den Dächern von Jerusalem noch eine Flasche Wein und genossen die Aussicht. Als abendlichen Abschluss gingen wir noch der Einladung unserer Österreichischen Freunde aus dem Hospiz nach und gingen noch zu ihnen, um dort die anderen Volontäre der Stadt kennenzulernen. Dabei lernten wir auch einige palästinensische Angestellte des Hauses kennen. Der Genuss einer Nahöstlichen Shisha durfte dabei natürlich auch nicht fehlen, allerdings heißt dies hier Argile, Shisha nennen sich hier Cannabisprodukte.

Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns dort und gingen zur Erlöserkirche zurück, auch Florin schlief bei uns, da Busse Freitags aufgrund des Feiertags nicht lang fahren, hätte er sonst auf den Ölberg laufen müssen, was bei der derzeitigen Situation nicht allzu empfehlenswert gewesen wäre.