Mittwoch, 13. Oktober 2010
Deutsches Volksfest im Exil - Oktoberfest in Taybeh
Am Sonntag nach dem Gottesdienst brach eine kleine Delegation aus Jerusalem auf zu einem der größten Volksfeste in der Westbank: Dem Oktoberfest in Taybeh. In dem kleinen - erstaunlicherweise fast ausschließlich christlich besiedelten - Dorf Taybeh wird seit 1955 Bier gebraut, das Oktoberfest wurde erstmals aus Mitteln zweier großer gemeinnütziger Stiftungen ausgerichtet. Seitdem floriert die Bierbrau-Wirtschaft in dem kleinen Dorf in der Westbank. Das - nach eigenen Angaben - „Finest beer in the Middle East“ ist gerade in der größtenteils muslimischen Westbank auch in der alkoholfreien Variante sehr beliebt.

Als wir in Taybeh ankamen, machten wir erst noch einen kurzen Abstecher zur eigentlichen Brauerei. Dort standen fünf schwarze Geländewägen und viele nette Männer mit Ohrstöpseln herum - Besuch vom US-Botschafter? Man wird es wohl nie erfahren ;-) Die Brauerei ist sehr klein, eine große Garage mit fünf großen Braukesseln drin, mehr ist es nicht. Wie in dieser kleinen Halle so viel Bier hergestellt wird, ist mir immer noch ein großes Rätsel. Allerdings macht dies auch den unstetigen Geschmack etwas verständlicher: Da wohl öfter Wassermangel im Dorf herrscht, variiert der Geschmack je nach Abfüllungsdatum von süßlich-herb bis säuerlich-bitter ziemlich stark. Trotzdem ein sehr leckeres Bier - wenn man das richtige Abfülldatum erwischt!

An diesem großen Tag für das kleine Dorf war der Geschmack natürlich unübertrefflich, richtig gut, eisgekühlt, ein wirklich gutes Bier. Die Band und die Mittagshitze taten ihr übriges, dass sehr schnell eine ausgelassene Stimmung auf dem ganzen Platz war. Die israelische Band „Toot Ard“ von den Golan Höhen heizte allen mit einer interessanten und auf jeden Fall genialen Mischung aus Reggae, Tanzmusik und klassischen arabischen Rhythmen war einfach genial und hat super auf das Fest gepasst. Es wurde getanzt, gelacht und eine tolle Zeit zusammen verbracht. Einfach toll!

Anschließend wurden Oktoberfesttypisch (?) Wettkämpfe gemacht, traditionelle Volksmusikgruppen spielten zum Tanz und dann wurde es für uns auch schon Zeit zu gehen, wir hatten noch viel vor an dem Abend…

Der Bürgermeister (und Bruder des Brauereigründers und -besitzers) bedankte sich über Plakate bei allen Anwesenden für ihr Erscheinen. Die Veranstaltung war wirklich der Hammer! Jetzt weiß ich, was ich mir unter einem arabischen Volksfest vorzustellen habe.



Donnerstag, 30. September 2010
„…um 5 Uhr geht’s los!“
Samstag Abend nach einem unserer Konzerte, wurden wir vom Propst zu einem Morgengebet eingeladen, „One Peace Jerusalem“ (http://onepeacejerusalem.org/), eine religiöse Gruppe, die für Frieden im Land steht, rief um fünf Uhr morgens zum Morgengebet.

Die Aktion war wirklich gut und sinnvoll organisiert: Vertreter des Islams, des Judentums und des Christentums im Heiligen Land kamen zusammen, um von einer Zitadelle am Jaffa-Gate nacheinander Friedensgebete ihrer jeweiligen Religion zu sprechen, während dem die Sonne über dem Ölberg und der Altstadt aufgeht.

Das Ereignis wurde über einen Livestream in die ganze Welt übermittelt. So waren von Sydney nach New York Zuschauer live dabei. Zum Ende wurde - als Zeichen des Friedens - zwei Tauben fliegen gelassen und der Tag brach an.

Es war eine wirklich tolle Aktion und der Ausblick war atemberaubend. Es hat sich wirklich gelohnt, so früh aufzustehen!

Kleine Notiz am Rande:
Im Moment feiern die Juden hier Laubhüttenfest, während dem sie an jedem Morgen bei Sonnenaufgang ein Ritual durchführen, bei dem sie einen „Feststrauß“ aus einem Palmzweig, Myrtezweigen, Bachweidenzweige und Etrog in alle Himmelsrichtungen drei mal geschüttelt wird. So natürlich auch an diesem Morgen, wirklich eindrücklich, wenn ein paar Leute das gemeinsam machen…



Der Eichmann-Prozess aus heutiger Perspektive
So lautete der Titel vom letzten Gemeindeabend in unserer Gemeinde. Gabriel Bach, der stellvertretende Ankläger im Eichmann-Prozess, der auch heute gerade für Israel noch sehr wichtig ist, war Referent an dem Abend und hat Geschichten von seinen Erfahrungen und Ermittlungen erzählt, die einem heute noch Schauer über den Rücken jagen. Ich will hier gar nichts davon wiedergeben, weil man es einfach von ihm selbst hören muss, dass es richtig rüberkommt.

Demnächst wird Gabi Bach wohl auch in Deutschland unterwegs sein und Vorträge halten, falls jemand von euch die Möglichkeit hat, geht unbedingt hin! Es lohnt sich auf alle Fälle!



Haifa
Letzte Woche waren wir zusammen mit ein paar anderen Volontären vom Österreichischen Hospiz in Haifa, einer wunderschönen Stadt, die früher eine kleine deutsche Kolonie war. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt im verrückten Verkehrssystem (Welches System? Fahre wer kann!) waren wir dort und fanden nach einigem Suchen auch einen Parkplatz nahe dem Zentrum. Inzwischen ist dort der Hauptsitz der Bahai, einer neuzeitlichen Glaubensrichtung, die dort den ganzen Berg herunter riesige Gärten aufgebaut hat.

Leider sind diese - bis auf Führungen - für Touristen unzugänglich und man konnte nur von unten hoch und von oben herunter schauen. Es war trotzdem das meiste Grün an einem Fleck, das ich im letzten Monat gesehen habe.

Anschließend suchten wir aufgrund der doch sehr warmen Temperaturen (gefühlte 45° C im Schatten!) schnellstmöglich das Meer auf. Wir fanden einen wunderschönen Strand, der völlig menschenleer war und bei dem echt tolle Wellen waren  Dort war toller Sandstrand, der leider immer wieder mit scharfen Steinen unterbrochen war, weshalb ich mir dort beide Füße aufgeschnitten habe…

Nach einem Touri-Gang (nur mit Badehose bekleidet durch die Innenstadt ;-) ) zum nächsten Supermarkt und anschließendem Mittagessen gingen wir nochmal ins Wasser, manche schliefen am Strand ein, und nach dem traumhaften Sonnenuntergang gingen wir dann auch wieder nach Hause. Im Auto schliefen dann alle - bis auf den Fahrer - ein.

Alles in allem ein echt toller Tag mit viel Erholungswert und viel, viel Spaß zusammen!



Samstag, 25. September 2010
Erste Eindrücke von der Westbank
Jetzt sind schon wieder zwei Wochen vergangen, seit meinem letzten Blogeintrag. Sovieles ist passiert: Der erste Kindergottesdienst in Latroun - zum Glück noch nicht von uns organisiert - verlief echt nett, erstaunlich viele Kinder kamen und es hat echt Spaß gemacht!

Ein paar Tage später hatte ich die Möglichkeit, mit einem Pfarrer aus Deutschland, der gerade einen Dokumentarfilm dreht, unseren etwas außerhalb von Jerusalem gelegenen, wunderschönen Zions-Friedhof anzuschauen. Interessant waren hier vor allem die älteren Gräber: Die Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, haben teilweise Schulen aufgebaut oder Stadtviertel entworfen, also wirklich große Dinge vollbracht.

Ich war inzwischen schon zwei Mal in Ramallah, einen anderen Volontär besuchen. Die Stadt ist wirklich beeindruckend: Natürlich viel moderner als Jerusalem, aber dafür auch umso dreckiger. Obwohl die palästinensischen Einwohner genau so viele Steuern zahlen, wie die israelischen Einwohner der Weststadt Jerusalems, ist die Müllentsorgung lang nicht so gut geregelt, so war zumindest mein Eindruck. Beziehungsweise: Manchmal hat man auch das Gefühl, dass sie einfach anders geregelt ist: An jeder Straßenecke stehen rußgeschwärzte Müllcontainer, und von Zeit zu Zeit sieht man auch einfach mal einen davon brennen…

Trotzdem ist Ramallah als „Hauptstadt Palästinas“ (obwohl es ja kein Palästina mehr gibt… ) echt beeindruckend: Man kann in die angrenzenden Wüsten schauen, es ist viel Leben auf den Straßen, die Leute sind total freundlich und man ist überall, wo man hingeht das absolute Highlight ;-)

So saßen wir abends zum Beispiel in einer Nargile(dt. Wasserpfeife)-Bar, hatten natürlich unsere Mädels mitgenommen und irgendwie war die Bar eigentlich nur für Männer bestimmt ;-) Wir hatten unseren Spaß, nur den Mädels war es glaube ich ein bisschen peinlich. Mit dabei waren auch ein paar Palästinenser, die wir dort kennengelernt hatten, war echt interessant, mal ihre Sichtweise der Welt zu hören.

Wir besuchten eine Musikschule, die sich selbst das Ziel gesteckt hat, mit dem Zugang zur Musik den Kindern und Jugendlichen eine Alternative zum „normalen“ Leben (mit Spielzeugpistolen, Counterstrike usw.) zu bieten. Einer aus der Nargile-Bar hat dazu gesagt, dass er wirklich noch nie eine Waffe, ob Spielzeug oder echt, angefasst hätte. Als wir dort in der Musikschule waren, wurden wir damit begrüßt, dass die Musiklehrer sich in ihrer freien Zeit trafen und zusammen Musik machten: Ein Privatkonzert für uns! :-)

Bei unserem zweiten Besuch, durften wir einer muslimischen Hochzeit beiwohnen, die aber wesentlich unspektakulärer verlief als erwartet. Anders als bei uns, war der eigentliche Festakt schon ein halbes Jahr vorbei und nur die Feier war noch. Die Männer saßen an Tischen im Freien, während die Frauen oben tanzten. Viele kamen auch einfach nur 20 Minuten vorbei, tranken einen Kaffee und gingen wieder. Als dann nur noch die engste Familie (und wir!) da war, gingen die Männer auch mit hoch und tanzten mit den Frauen und um nicht mal elf Uhr abends wurde dann abgebaut.
Alles Gute für das Ehepaar!



Donnerstag, 9. September 2010
Tolle Arbeit + Viel Erholung = Geniale Zeit
Am Sonntag war der erste Tag, an dem ich wirklich in der Kirche mitgeholfen habe, sozusagen mein erster „richtiger“ Arbeitstag. Weder Ronja (meine Mitvolontärin hier in der Erlöserkiche) noch ich wussten, wann der Tag eigentlich für uns beginnen sollte, also schaute ich kurz vor dem Schlafengehen noch mal kurz in unser Übergabeprotokoll, eine Art Leitfaden für neue Volontäre. Dort stand, dass ab halb neun einer von uns die Rezeption besetzen solle. Ich tat wie mir geheißen, doch da saß schon jemand: Die Tochter von einem unserer Facility Manager übernimmt dies wohl in der vorlesungsfreien Zeit - gut zu wissen! Jetzt war ich also auch noch eine Stunde zu früh aufgestanden, was aber nicht weiter schlimm war, weil ich so ein paar Leute aus der englischsprachigen Gemeinde, die genauso wie die deutsche und arabische Gemeinde hier Sonntags ihren Gottesdienst feiert, kennenlernte. Kurz darauf kamen auch schon die ersten Volontäre an, denn an dem Gottesdienst heute sollten alle Volontäre, die irgendwie mit der „Stiftungen der Evangelischen Kirche Deutschland im Heiligen Land“ in Verbindung standen, für ihre Arbeit gesegnet werden. So lernte man wieder viele neue Volontäre kennen. Wir feierten gemeinsam einen schönen Gottesdienst und trafen uns danach noch bei Kaffee und Tee, wobei man sich etwas näher kennenlernte. Auch die Mitarbeiter des Theaterprojekts, die uns bereits am Mittwoch interviewt hatten, waren wieder dabei, wodurch wir auch noch einmal die Möglichkeit hatten, in Erfahrung zu bringen, für was sie uns überhaupt ausfragten und um etwas mehr über das Projekt zu erfahren. Als letztlich alle wieder gegangen waren und wieder alles in den Ausgangszustand versetzt war, waren wir zum Mittagsessen bei unserem Pfarrvikar eingeladen.
Zum Abendessen waren wir wieder beim Österreichischen Hospiz geladen, auf dem Weg dorthin wurden wir das erste Mal Zeuge von einer etwas unruhigen Situation: Israelische Soldaten hatten eine Straße gesperrt, scheinbar völlig willkürlich wählten sie Leute aus, die hindurch durften und andere die weitergeschickt wurden. Es wurde beiderseits geschrien, gebrüllt und geschoben, aber alles verlief einigermaßen friedlich, soweit wir das mitbekamen.
Abends kam eine Gruppe Theologiestudenten/innen zu Besuch, die hier im Heiligen Land eine Art Auslandsjahr absolvieren und wir gingen gemeinsam auf den Turm. Von oben war zu sehen, was wir schon den ganzen Tag beobachtet haben: Gefühlte tausende Muslime pilgerten zum Tempelberg, um dort einen wichtigen Feiertag zu feiern (ein lustiges Bild: auf der Reise zum Tempelberg waren alle über und über mit Essen beladen, manche hatten Kissen dabei usw.). Von oben sah es eher aus wie ein riesiges Mosaik, in dem sich alle Steinchen auf dem Tempelberg bewegten. Einfach der Wahnsinn, selbst der Platz um den Felsendom herum war völlig überfüllt mit Leuten, wie sah es da wohl im Felsendom selbst aus?

Nach den Studenten/innen kamen noch einmal die Leute vom Theaterprojekt, die nochmal einen Tee mit uns tranken und sich von uns verabschiedeten, da sie am Montag größtenteils fliegen würden. Letztlich gab es dann noch ein kleines Problem mit zwei israelischen vom Theaterteam, die eigentlich in Jerusalem schlafen wollten, aber noch keine Schlafmöglichkeit hatten. Sie an einem solchen muslimischen Feiertag allein in der Innenstadt wäre natürlich nicht besonders freundlich gewesen, deshalb wurde dann noch ein Schlafplatz in der Nähe organisiert, den sie dann allerdings gar nicht brauchten, da sie doch noch nach Tel Aviv heimfuhren. Auch Florin und ich waren noch nicht so müde, dass wir ins Bett wollten und so schlossen wir uns Volontären aus dem Österreichischen Hospiz an, die gerade auf dem Heimweg waren und tranken dort mit ihnen und den Theaterleuten, die dort heute Nacht auch schliefen noch ein Feierabendbier und betrachteten die angespannte Situation zwischen israelischen Soldaten und den palästinensischen Muslimen. Um kurz vor drei kamen wir schließlich heim und hatten schon wieder großes vor: Morgen sollte es zum Meer nach Tel Aviv gehen.
Nach einer etwas kürzeren Nacht beeilten wir uns Montagmorgen, schnell zum Money Changer und anschließend zum Großraumtaxi nach Tel Aviv zu kommen. Nach einer etwas chaotischen und langwierigen Fahrt kamen wir endlich an der Central Bus Station an, wo dann auch das Taxi wartete. Wir fuhren nach Tel Aviv, um uns am dortigen Busbahnhof erstmal ziemlich zu verlaufen. Irgendwie schafften wir es, dann doch den richtigen Bus zum Strand zu finden und genossen den Tag bei strahlender Sonne am Meer.

Das Wasser war genau so warm wie die Luft, leider keine wirkliche Abkühlung. Die Umgebung war leider etwas enttäuschend: Auch wenn der Blick aufs Meer traumhaft schön ist, ist die Strandpromenade von Tel Aviv nicht so schön wie erwartet: Nur Betonklötze und heruntergekommene Häuser - etwas schade! Florin hatte vorher mit einem Israeli, den er aus einem Schüleraustauschprogramm schon kannte, ausgemacht, sich dort zu treffen. Es war wirklich interessant, mit ihm über die momentanen Ereignisse zu reden und seine Meinung zu politischen Dingen zu hören, die erstaunlicherweise wirklich kritisch und friedlich war, was aufgrund diverser Presseartikel leider nicht selbstverständlich ist… Nach viel hin und her kamen wir auch wieder irgendwie Heim (er bot uns an uns zu fahren und wir kamen genau in die Rush-Hour und schließlich verliefen wir uns erneut im Busbahnhof) und ließen den Abend dann gemütlich ausklingen. Es war ein toller Tag in einer ganz anderen Welt: Während in Jerusalems Altstadt alle nur bedeckt und mit langen Hosen und Schleiern herumlaufen, war es in Tel Aviv völlig gelöst: Frauen mit Miniröcken, in Bikinis, Männer mit Badeshorts und Oberkörperfrei mitten in der Innenstadt - echt der Hammer, was die paar Kilometer ausmachen!



Mein erster Arbeitstag
Donnerstagmorgen gingen wir erstmal mit unserer Verwaltungsleiterin Fr. Werth frühstücken, um die Aufgaben der Volontäre und die „Do’s und Dont’s“, wie es neudeutsch so schön heißt, zu besprechen. Den Rest des Tages bekamen wir dankenswerter Weise nochmal frei, was wir für eine Entdeckungstour durch die Altstadt nutzten.

Am Freitagmorgen sollte es nun also losgehen: Mein erster Arbeitstag im Café Auguste Victoria. Ich kämpfte mich durch die völlig verstopften Straßen (da Ramadan für die Muslime und Sabbath für die Juden war, war die ganze Stadt auf den Beinen) zum Damaskus Gate durch, um von dort aus dann mit einem Bus zur Auguste-Victoria-Stiftung auf den Ölberg zu fahren. Dort angekommen zeigte mir Nele, die Volontärin, die sich um alles rund um das Café kümmert, erst einmal alles, was ich irgendwie brauchen könnte. Freitags ist wohl immer der ruhigste Tag für das Café, hab ich ja mal wieder gut hinbekommen, ich werde dort nämlich nun jeden Freitag arbeiten.  Mittags kamen noch Constanze und Florin, zwei andere Volontäre, die auf dem Ölberg beschäftigt sind, um uns dabei zu helfen, Sandwiches für eine größere Reisegruppe, die sich angekündigt hatte, vorzubereiten. Außer der Reisegruppe war wirklich nicht viel los, ungefähr 10 andere Gäste kamen für Kaffee, Sandwiches und Kuchen.

Das war aber nicht weiter tragisch, da ich dadurch viel mehr Zeit hatte, mit Nele über die Hintergründe des Cafés zu reden. Das Café unterstützt mit seinen Einnahmen viele soziale Projekte, so wird Kindern aus armen palästinensischen Familien das Schulgeld für eine gute Bildung gezahlt. (Die staatlichen Schulen sind hier wohl sehr schlecht, dass wirklich nur die, die absolut keine andere Möglichkeit haben, diese besuchen. Viele Schulen sind auch vom Ausland finanziert, so gibt es französische, deutsche und englische Schulen und natürlich auch von religiösen, vor allem christlichen, Einrichtungen. Dies sind nur zwei Beispiele für die Vielseitigkeit der Projekte, die unterstützt werden, es gibt noch viele weitere.) Ein Teil der Einnahmen fließt zu dem Sozialfond der Stiftung der EKD im Heiligen Land, die damit wiederum bedürftigen Menschen hilft. Auch wurden aus den Einnahmen Katzen, die hier ein echtes Problem sind, da sie zu tausenden durch die Straßen streunen und sich uneingeschränkt fortpflanzen und so auch aus öffentlichen Mülltonnen leben und Krankheiten verbreiten, sterilisiert.
Zum Ende meiner Arbeitszeit kam Florin noch einmal vorbei und fuhr mit mir zurück in die Stadt. Wir kämpften uns durch das Damaskus Gate, das völlig überfüllt war und die komplett mit Menschenmassen verstopfte Altstadt. Freitags ist dies wohl immer so, da das der „muslimische Sonntag“ ist, an dem alle zum Gebet und vom Gebet kommen. Dadurch war auch die israelische Armee und Polizei in der ganzen Stadt sichtbar und Wasserwerfer standen bereit. Für die Altstadt wurde vom Auswärtigen Amt eine Warnung vor Unruhen ausgegeben, aber alles blieb - zumindest soweit ich mitbekommen habe - ruhig.

Ich musste direkt weiter zur täglichen warmen Mahlzeit bei dem Österreichischen Hospiz. Danach kam Florin noch mit zu uns, wir tranken auf den Dächern von Jerusalem noch eine Flasche Wein und genossen die Aussicht. Als abendlichen Abschluss gingen wir noch der Einladung unserer Österreichischen Freunde aus dem Hospiz nach und gingen noch zu ihnen, um dort die anderen Volontäre der Stadt kennenzulernen. Dabei lernten wir auch einige palästinensische Angestellte des Hauses kennen. Der Genuss einer Nahöstlichen Shisha durfte dabei natürlich auch nicht fehlen, allerdings heißt dies hier Argile, Shisha nennen sich hier Cannabisprodukte.

Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns dort und gingen zur Erlöserkirche zurück, auch Florin schlief bei uns, da Busse Freitags aufgrund des Feiertags nicht lang fahren, hätte er sonst auf den Ölberg laufen müssen, was bei der derzeitigen Situation nicht allzu empfehlenswert gewesen wäre.



Freitag, 3. September 2010
Der erste Tag im Heiligen Land
Um 22:25 Uhr am 31.08.2010 ging endlich der lang erwartete Flieger nach Tel Aviv. Nach einem ruhigen Flug waren wir dann um 5:00 Uhr nach ewig andauernden Passkontrollen am Flughafen endlich in Jerusalem angekommen. Doch natürlich war noch keiner von uns müde und erstmal mussten wir uns noch die Altstadt bei Nacht anschauen. Die ersten Muslime kamen schon von ihrem Morgengebet zurück, während wir durch die kleinen Irrgassen mit tausenden Metallverschlägen (hinter denen sich überall kleine Läden verstecken, wie wir im Laufe des Tages dann erkannten) streunten. Um kurz nach 6:00 Uhr waren wir dann endlich alle im Bett und konnten die laue Nacht wenigstens noch kurz genießen.
Felsendom am Fuße des Ölbergs
Der erste Tag
Morgens um halb Zehn schellte schon wieder der Wecker, denn wir waren kurz darauf schon mit dem Rektor des Österreichischen Hospizes verabredet, in dem wir ab jetzt täglich eine warme Mahlzeit bekommen. Dort lernten wir andere Freiwillige kennen, mit denen man sofort ins Gespräch kam und die allesamt sehr nett waren. Danach wurden wir der gesamten Hausmannschaft vom Facility Manager bis zum Bischof vorgestellt. Natürlich wurden auch schon wieder Probleme mit dem Visum bekannt, denn am Flughafen wurde unser - vom Innenministerium auf 3 Monate genehmigtes - Visum auf nur noch einen Monat Gültigkeit "heruntergestempelt". Nach einem kleinen Rundgang durch die wunderschöne Altstadt hatten wir noch etwas Zeit, uns einzurichten.
Kreuzgang der Erlöserkirche
Als krönenden Abschluss gingen wir zum Café Auguste Victoria zu einem gemeinsamen Essen vieler Volontäre. Nach einigem Feilschen mit den Taxifahrern um den Fahrpreis kamen wir letztlich um 5 Schekel, also etwas mehr wie einen Euro, zum Ölberg, auf dem das Café liegt. Als dort angekommen plötzlich Kanonenschüsse erklangen, wurde uns erklärt, dass das kein Grund zur Sorge sei, sondern nur zum Ramadan (=muslimische Fastenzeit) gehöre: Während dem Ramadan dürfen gläubige Muslime tagsüber nichts zu sich nehmen, kein Essen, kein Trinken, nicht rauchen und so weiter. Der Kanonenschuss bedeutet, dass der Tag vorbei ist und alle wieder essen und trinken können was sie wollen, eben bis zum nächsten Sonnenaufgang. Zum Ende wurde dann bekannt, dass auch eine Kooperationsgruppe Schauspieler vom Theater in Tel Aviv und vom Theater in Heidelberg auf dem Weg zu uns war, die gerade bei Nachforschungen für ein Theaterstück sind, das sich speziell mit Volontären im Heiligen Land - sowohl auf israelischer Seite, als auch auf palästinensischer - beschäftigen soll, die uns dringend interviewen wollten. Um kurz vor Zwölf kamen wir schließlich heim und fielen tot in unsere Betten.



Freiwilligendienst bei der Erlöserkirche in Jerusalem
Ich habe dieses Jahr mein Abitur beendet und werde am 01. September meinen Freiwilligen Ökumenischen Friedensdienst in der Erlöserkirche in der Altstadt von Jerusalem antreten und dort bis Ende August 2011 Volontärdienste mit vorwiegend technischem Schwerpunkt betreuen. Zu meinen Aufgabengebieten werden unter anderem Rezeptionsdienste und Hausmeistertätigkeiten, aber auch Andachten, Kindergottesdienste und die Öffentlichkeitsarbeit der Erlöserkirche gehören. Auch werde ich im Café Auguste Victoria mitarbeiten, einem kleinen Café, das vor einigen Jahren von mitausreisenden Ehefrauen, deren Männer in Israel Arbeit fanden, eröffnet wurde und dessen Erlös sozialen Projekten zugute kommt.
Situation in Israel
Immer wieder hört man in der Presse vom Nahost-Konflikt auf dem heutigen Staatsgebiet von Israel. Als seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert weltweit Juden mit Massenvertreibung und Pogromwellen aus ihrer ursprünglichen Heimat vertrieben wurden, sehnten sie sich nach einem Staat, in dem alle Juden zusammenwohnen können und Frieden herrscht. So siedelten sich viele in Palästina an und riefen dort auch 1948 Israel als eigenständigen Staat aus, woraus der erste Nahost-Krieg resultierte, als am Tag nach der Staatsgründung Israels alle umliegenden Länder Israel den Krieg erklärten. Dieser Konflikt dauert bis heute an, allerdings hat sich viel verändert: Das ehemalige Palästina gehört inzwischen größtenteils zum Staat Israel oder ist von der israelischen Armee besetzt. Ein neutraler Umgang miteinander ist bei diesem Hintergrund nicht denkbar: Palästinensische Einwohner müssen stundenlang in der prallen Sonne an Grenzübergängen auf Durchlass warten und haben - gerade in ländlichen Gebieten - eine schlechte Trinkwasserversorgung, um nur zwei Beispiele anzuführen.
Aufgabengebiet
Die Erlöserkirche versucht, genau hier anzusetzen: Sie bietet Gemeindeabende und andere Aktionen an, bei denen jegliche religiösen Gruppen und Völker, die in Israel aufeinandertreffen, eingeladen sind. Es wird versucht, die beiden Völker zur Kommunikation miteinander zu bewegen, auf dass sich irgendwann beide Nationen auf Augenhöhe gegenüberstehen. Gerade dieser Ansatzpunkt hat mich beeindruckt und neugierig gemacht, weshalb ich nun ein Jahr lang in die Ferne gehe, um für mehr Frieden zu werben.
Ich freue mich schon riesig auf das Jahr und hoffe, dort viel zu erleben und viele neue Kulturen kennenzulernen!
Unterstützerkreis
Es ist üblich, dass Volontäre der Evangelischen Kirche in Baden für ihre Auslandsjahre einen Unterstützerkreis aufbauen, um die Kosten, die für das Jahr anfallen, teilweise zu decken. Der Unterstützerkreis wird im Gegenzug über aktuelle Arbeiten und Projekte „seines“ Freiwilligen informiert.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bisherigen und zukünftigen Unterstützern herzlich bedanken! Ohne Sie wäre ein derartiger Freiwilligendienst in dieser Form nie umsetzbar! Vielen Dank!